Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

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ein und drangen unaufgehalten bis unter die Mauern 
von Kukaua vor. Hier erst stellte sich ihnen der 
Sultan Aba Häschim entgegen, und es gelang ihm, 
dank seiner Uebermacht, die Angreifer zurückzuwersen. 
Räbahverbrachte nun mehrere Monate im Gebiet 
von Bornu in schwieriger Lage, indem ihm beson- 
ders die Verproviantirung seiner Truppen große 
Sorgen verursachte. Gerade in dieser größten Be- 
drängniß sollte die Saat zur Reise kommen, die er 
durch seine Sendboten hatte ausstreuen lassen. 
Räbah erhielt von einem bornuesischen Großwürden- 
näger die Aufforderung, nach Kukaua zurückzukehren, 
wo ihm dieser zur Erlangung der Herrschaft behülf- 
lich sein würde. Er ließ sich das natürlich nicht 
zweimal sagen; sofort rückte er von Neuem auf die 
Hauptstadt los. Wieder kam es vor den Thoren 
der Residenz zur Schlacht, und diesmal siegte Räbah 
hauptsächlich durch seine Artillerie, der die Feinde 
etwas Aehnliches nicht entgegenzustellen hatten. Aba 
Haschim selbst blieb auf dem Schlachtfelde. 1) In 
den noch folgenden Kämpfen, die zur Eroberung der 
Hauptstadt führten, fielen auch seine beiden Neffen 
und Nachfolger, Abä Kijäri und Abä Sande.?) 
Der Sieger zog als neuer Sultan in Kukaua ein.)) 
Dieses Ereigniß bildet einen Wendepunkt in der 
Geschichte Rabahs. Während er bis dahin doch 
mehr oder minder bloßer Abenteurer gewesen war, 
war er jetzt mit einem Schlage der Herrscher eines 
der mächtigsten Sultanate im Sudan geworden. 
Bei seinem praktischen, auf das Reale gerichteten 
Sinn durfte man erwarten, daß er sich der Auf- 
gaben und Pflichten seiner neuen Stellung alsbald 
bewußt sein und energisch an ihre Erfüllung gehen 
würde. Und diese Erwartung hat er nicht getäuscht. 
Den wegen der Unruhen der letzten Jahre ins 
Stocken gerathenen Karawanenhandel mit Tripolis 
suchte er dadurch wieder zu beleben, daß er den 
Händlern die Zusicherung vollkommenster Sicherheit 
sowie sonstige Konzessionen machte. Seine Be- 
mühungen in dieser Hinsicht sind denn auch von 
Erfolg begleitet gewesen.") Auch zur britischen 
„Niger Company“ soll er in Handelsbeziehungen 
getreten sein. 5) Seine Residenz verlegte er von dem 
namentlich in der Regenzeit äußerst ungesunden Ku- 
kauas) nach dem reizend gelegenen Dikaua (am 
Jaloeflusse südöstlich vom Tsadsee belegen).!)) Zum 
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1) Nach Ferryman, Imperial Africa, S. 356, soll Aba 
Häschim nicht gefallen, sondern nach verlorener Schlacht 
nach Sinder geflohen sein. 
2) Sands ist das arabische Omar. 
3) Nach meiner Berechnung fällt die Eroberung Bornus 
in das Jahr 1894. 
4) Vergl. Grothe, Tripolitanien und der Karawanen- 
handel nach dem Sudan, Leipzig 1898, S. 22. 
5) Ferryman, Imperial Africa, S. 356. 
6) Vergl. Nachtigal, Sahara und Sudan, I, 732 ff. 
7) Dikaua, das schon früher einmal Residenz der Bornu- 
könige gewesen war, liegt in der deutschen Interessensphäre. 
Ueber die günstige Lage der Stadt vergl. Barth, Reisen 
und Entdeckungen, 1III, 122 ff. Als Grund für den Wechsel 
der Residenz geben die Eingeborenen in ihrem abergläubi- 
  
besseren Schutze der Grenzen seines neuerworbenen 
Gebietes legte er starke Garnisonen in Gulfay am 
Schari sowie in Kussuri und Logone am Logone= 
flusse. Um sich eine Dynastie zu gründen, deren 
Legitimität auch bei den Herrschern benachbarter 
Reiche Anerkennung fände, verheirathete er sich mit 
einer Tochter seines Bundesgenossen Mallam Hajato, 
der seinerseits wieder eine Tochter Räbahs zur Frau 
nahm. 
Daß mit dieser innerpolitischen Thätigkeit das 
Streben nach Erweiterung seines Gebietes Hand in 
Hand ging, lag in seinem energischen, nimmer rastenden 
Wesen begründet. Zunächst ließ er sich die Züchti- 
gung des im Süden von Bornu wohnenden Berg- 
stammes der Mandara angelegen sein, der sich schon 
von je durch gelegentliche Plünderungszüge im süd- 
lichen Reichsgebiete lästig gemacht hatte. Bei der 
Strasexpedition fiel ihm der greise König der Man- 
dara selbst in die Hände. Aber während Rabah 
menschlich genug dachte, den alten Mann ungefährdet 
in seine Heimath zu entlassen, ließ dessen Sohn und 
Nachfolger einen in Gefangenschaft gerathenen Sohn 
Räbahs hinrichten. Eine andere Expedition nach 
Badde führte zwar nicht zur Okkupation dieses 
Gebietes, wohl aber zur Erbeutung zahlreicher 
Sklaven, die als willkommene Beute nach Bornu 
weggeführt wurden. Denselben glücklichen Erfolg 
hatte ein Zug in das Gebiet von Miga. Dagegen 
mißlang eine Expedition gegen Katagum; der tapfere 
Widerstand, den der König dieses Landes leistete, 
zwang Räbah zu eiliger Umkehr nach Bornu. Von 
einem gegen Misso geplanten Unternehmen erhielt 
der König dieses Landes vorzeitig Wind und beeilte 
sich, um der drohenden Gefahr zu begegnen, mit den 
benachbarten Herrschern von Schira und Gombe 
ein Schutz= und Trutzbündniß zu schließen. Vereint 
fühlten sie sich stark genug, angriffsweise gegen 
Räbah vorzugehen. Die beiderseitigen Heere stießen 
auf dem Marsche zusammen. In dem darauf sich 
entspinnenden Kampfe trug nach erbittertem Ringen 
die überlegene Schlachtkunst Rabahs den Sieg da- 
von. Ganz außerordentlich waren die Verluste der 
Verbündeten; der König von Gombe selbst befand 
sich unter den Gefallenen. Aber auch für den Sieger 
muß der Tag sehr verlustreich gewesen sein, denn er 
kehrte ohne weitere Resultate nach Bornu zurück. 
So lange Räbah seine Angriffe auf die zwischen 
Bornu und Sokoto hausenden kleinen Stämme — 
schen Wesen an, daß die Geister der hingemordeten Sul- 
tane Räbah des Nachts im Königsschloß von Kukaua 
geängstigt hätten. Dieses Motiv ist nicht neu; so soll 
Muhammed Scherif, Sultan von Wadai, die Residenz von 
Wara nach Abesche verlegt haben, weil, wie der Volksmund 
sagte, „böse Geister die alte Königöburg unbewohnbar“ 
gemacht hätten (Nachtigal, Sahara und Sudan, III, 77). 
Natürlich ist im Ernst nicht daran zu denken. Neue 
Herrscherfamilien pflegen sich ja häusig neue Residenzen zu 
wählen, um das Andenken an die alte Dynastie nach 
Möglichkeit zu verwischen, wie ja Kukaua selbst erst von 
den Kanemiden zu Anfang dieses Jahrhunderts gegründet 
war (Nachtigal, I, 586).
	        
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