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den unvermutheten Abmarsch derselben nach ihrer
Heimath, von welchem ich nichts erfahren hatte. Ich
mußte die Regenmonate hindurch warten, bis einer
dieser Bali zurückkam, und machte mich nun am
22. November mit einer kleinen Expedition auf den
Weg nach Ikiliwindi. Der Bali, welcher mich führen
sollte, erschien freilich an dem Morgen des Abmarsches
nicht. Er war mit seinen Landsleuten vorausgeeilt,
und ich habe ihn nicht wiedergesehen. Jedoch mar-
schirte ich weiter, übernachtete in Busa und setzte am
nächsten Tage meinen Marsch über Lisoka und Ekona-
Mbenge bis Mojuka in der Nähe des Mungo fort.
Von Mojuka brach ich am 24. November in aller
Frühe auf, durchschritt den Supüfluß und setzte eine
Stunde später bei Nyoke über den Nyokefluß. Als
ich dann etwa eine Stunde weit von dem Dorfe
entfernt war und die ersten zu Malende gehörenden
Häuser vor mir sah, fiel mir plötzlich in der Nähe
des Weges im Buschwalde ein etwa 10 m hoher
Baum auf, welcher große Aehnlichkeit mit der bei
Victoria vorkommenden angeblichen Kickkia# zeigte.
Meine Vermuthung, daß dieses der gesuchte Baum
sei, wurde sofort durch das Anschneiden bestätigt,
welches reichlich Kautschukmilch herausfließen ließ, die
bei dem Zerreiben auf dem Handballen in kürzester
Zeit ein Kügelchen trockenen festen, nicht klebrigen
Kautschuks lieferte.
Ich rief nun die vorausgeeilten Träger zurück,
ließ bei der nächsten Hütte halten, zeigte ihnen den
Baum und sagte ihnen, wenn sie noch viele von
dieser Art auffinden könnten, gingen wir nicht nach
Ikiliwindi, sondern zurück nach Victoria. Schleunigst
setzten die Weis die Lasten nieder und schwärmten
nach allen Seiten aus in den Busch.
Ich besah mir nun den Baum und einen zweiten,
den ich sofort wenige Meter weit von dem ersten
entdeckte, genauer. Im Wuchs, der runden Gestalt
und grauen Rinde des Stammes war er völlig der
Kickxia in Victoria gleich, nur waren die Blätter
durchschnittlich schmaler, länger, ledriger und am
Rande stärker umgebogen und gewellt. Auch schienen
mir die Blattspitzen länger ausgezogen, und im Ganzen
ähnelten die Blätter denen der Coflea arabica, wie
es auch früher die Fantis von dem „Ofuntum“ be-
hauptet hatten. Ich entdeckte auf beiden Bäumen
reichlich Knospen und auch eine Anzahl völlig aus-
gebildeter Früchte. Die letzteren waren deutlich von
denjenigen der bei Victoria vorkommenden Kickxia
verschieden. Sie sind bedeutend kürzer und dicker,
haben eine abgerundete breite Spitze und weit weniger
stark hervortretende Längskanten und einen etwa
ovalen Querschnitt, während diese eine lange scharfe
Spitze, scharf hervortretende Längskanten und einen
halbkreisförmigen Querschnitt haben. Nach längerem
Suchen fand ich auch einige wenige Blüthen. Die
Hauptblüthezeit beginnt jedenfalls erst im Dezember.
Auffallend ist das gleichzeitige Vorkommen von
Blüthen und reifen Früchten, wie es z. B. die
Strophantus-Arten zeigen.
Ich zapfte nunmehr vermittelst eines Hohleisens
den einen Baum an und versetzte die sehr reichlich
fließende Milch sofort mit etwa 15 pCt. Salmiak-
geist. Leider ist dieselbe trotzdem sehr dickflüssig ge-
worden und theilweise koagulirt. Der Milchreichthum
schien mir bedeutender zu sein als derjenige bei an-
deren von mir versuchten Arten wie Manihot Gla-
ziovii, Hevea brasiliensis, Ficus elastica und
die Landolphia-Arten.
Meine an die Eingeborenen gerichtete Frage, ob
sie den Baum kennten, bejahten sie, indem sie einfach:
„Maniongo“ (d. h. Milch, der landläufige Ausdruck
für alle Kautschukgewächse sowie für die Kautschuk-
milch und auch den Kautschuk selbst) sagten. Die
Frage dagegen, ob noch mehr dieser Bäume in der
Nähe seien, verneinten sie, wie zu erwarten war.
Nur diese beiden Bäume seien vorhanden, alle übrigen
seien niedergeschlagen worden.
Inzwischen war schon nach einer halben Stunde
einer meiner Weijungen mit einem Zweige eines von
ihm gefundenen Kautschukbaumes zurückgekehrt. Bald
kamen auch die übrigen und meldeten im Ganzen
acht Bäume. Ich überzeugte mich selbst von der
Wahrheit der Angaben. Die Bäume waren aber
sämmtlich klein und erreichten höchstens Schenkelstärke
bei 6 m Höhe oder wenig mehr. Alsdann zapfte
ich auch den zweiten Baum an, wobei ich bemerken
mußte, daß die frisch hervorquellende Milch unter
Einwirkung der Mittagssonne sofort am Stamme
gerann. Ich konnte nur einen kleinen Ball Wickel-
gummi anfertigen, der aber gute Elastizität zeigte
und völlig frei war von allen klebrigen Bestandtheilen.
Nachdem ich noch eine Anzahl Früchte gesammelt
und beblätterte Zweige mit Knospen für das Herbar
eingelegt sowie Blüthen in Spiritus konservirt hatte,
begab ich mich nochmals mit sämmtlichen Leuten in
den Buschwald. Wir fanden noch eine ganze Anzahl
kleiner Bäume, darunter auch solche von 30 cm bis
1 m Höhe, welche ich lebend nach Victoria zu nehmen
beschloß. Auch einen gefällten und mit den üblichen
zum Gewinnen der Milch gemachten Ringschnitten
versehenen stärkeren Stamm traf ich an. Im Ganzen
kommen auf einen Hektar speziell in jener Gegend
etwa 15 bis 20 Kautschukbäume.
Gegen Abend begab ich mich nach einigen größe-
ren, dicht bei dem Hauptorte Malende gelegenen
Hütten, um dort zu übernachten. Auch hier standen
dicht neben einer Hütte zwei der Bäumchen, und
auch hier mußte ich mir von den Bewohnern sagen
lassen, es seien die einzigen dieser Art in der ganzen
Gegend.
Da der Zweck meiner Reise in einer so wider
alles Erwarten günstigen Weise nunmehr gelöst war,
so beschloß ich, nach Victoria zurückzukehren. Die
weitere Verbreitung des Baumes festzustellen, wäre
wohl ebenso wichtig wie interessant gewesen, jedoch
erforderte die Präparation der Vanille= und Zimmet-
ernte meine Anwesenheit in Victoria. Es kam nun
darauf an, junge lebende Bäunchen sowie möglichst