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ehemalige Chefingenieur beim indischen Gouvernement
Sir Guilford Molesworth mit einer Besichtigung
der Bauausführungen und Berichterstattung beauf-
tragt. Dem im Londoner Auswärtigen Amt für die
Aussicht und finanzielle Leitung dieses Baues thätigen
Komitee kam es im Wesentlichen darauf an, zu er-
fahren, ob die Bauleitung in guten Händen läge,
die bisherigen Baufortschritte zufriedenstellende seien,
und wenn nicht, welche Umstände sie verzögert hätten,
wie man Abhülfe schaffen könne und wann der Bau
voraussichtlich den Victoria-See erreichen werde.
Sir G. Molesworth hat seinen Auftrag um die
Jahreswende 1898/99 erledigt, und sein Bericht,
datirt vom 28. März 1899, ist im vergangenen
Juni dem Parlament vorgelegt worden, ebenso der
letzte Jahresbericht des leitenden Komitees, ab-
schließend mit dem 31. März d. Is. Beide Berichte
enthalten so interessante Angaben über die bisherige Ent-
wickelung des Unternehmens, seinen jetzigen Stand 2c.,
daß es sich wohl empfiehlt, den kurzen Angaben in
den Nummern 14 und 16 des Kolonialblattes aus-
führlichere Mittheilungen folgen zu lassen.
Der Bau der Uganda-Eisenbahn kam in Frage
nach der die Unterdrückung des Sklavenhandels im
äquatorialen Ostafrika betreffenden Brüsseler Konferenz
1890. England hatte hierfür seine Mitwirkung zu
Lande und zu Wasser zugesagt, die aber nur Erfolg
versprach, wenn man dem Sklavenhandel an der
Stelle seines Ursprungs, in der dicht bevölkerten
Umgebung des Victoria-Sees beizukommen suchte,
sofern dies durch Anlage einer Eisenbahn nach dort
erleichtert wurde; die Bewachung der Küste durch
die Flotte konnte dann entbehrt werden. Man
schätzte die hierdurch zu ersparenden Kosten auf
108 000 bis 110 000 Pfd. Sterl., die die Zinsen
zu drei Prozent eines Kapitals von mehr als
3 000 000 Pfd. Sterl. ausmachten. Eine solche Er-
sparniß rechtfertigte schon allein den Bau einer Eisen-
bahn, abgesehen von den Vortheilen, die dem Handel
und der Civilisation daraus erwuchsen. Auf Ver-
anlassung der Britisch-ostafrikanischen Gesellschaft, in
deren Bereich die Eisenbahn zur Ausführung kommen
mußte, fand zunächst eine Ermittelung der muth-
maßlichen Kosten statt. Von dem fraglichen Gebiete
zwischen Mombassa und der Nordostecke des Victoria=
Sees hatte man damals nur eine sehr oberflächliche
Kenntniß. Eine Karawanenstraße (Makinnon road)
führt von Mombassa aus durch das Hochgebirge
zwischen Kilimandscharo und Kenia und weiter west-
lich durch den von Norden nach Süden ziehenden
sogenannten ostafrikanischen Graben nach Port
Victoria an der Berkelay-Bucht des Victoria-Sees.
In einem solchen Gelände mußte voraussichtlich ein
Eisenbahnbau sehr erhebliche Kosten verursachen, wenn
man sich nicht mit einer schmalen Spur und den
hierbei zulässigen stärkeren Neigungen und schärferen
Krümmungen, leichteren Schienen und einer be-
scheidenen Ausstattung begnügte. Alle hierüber ein-
geforderten Gutachten, auch Sir G. Molesworth
war hieran schon betheiligt, sprachen sich fast über-
einstimmend in diesem Sinne aus, aber da sie ohne
eingehende Kenntniß des fraglichen Geländes ab-
gegeben waren, hatten sie nur einen beschränkten
Werth und veranlaßten die Ausrüstung einer Expe-
dition zur Durchforschung jenes Geländes und Er-
kundung einer geeigneten Bahnlinie für eine etwa
1 m breite Spur. Diese Expedition, unter Führung
des Kapitäns Macdonald R. E., erledigte ihren
Auftrag in der Zeit vom November 1891 bis 1892
und gab über die Gestaltung und den Charakter
jenes Geländes folgende Ausschlüsse:
Die Hafenstadt Mombassa, auf der gleichnamigen
Insel, ist vom Festlande durch eine etwa 700 m
breite Meerenge, die Macupastraße, getrennt, dennoch
muß die Eisenbahn auf der Insel beginnen, da die
Meerenge sehr seicht ist, das Festland sich steil an
der Küste erhebt, und sich dort für die nothwendigen
Hafen-, Magazin= und Bahnhofsanlagen keine ge-
eignete Stelle findet. Auf der Insel empfiehlt sich
als Ausgangspunkt der Ort Kilindini, neben einer
sehr geräumigen und geschützten Bucht, Vorzüge, die
weder der Hauptort Mombassa noch die nähere Um-
gebung der Makupastraße bieten und die demnach deren
Ueberbrückung rechtfertigen.
Der steile Anstieg des Festlandes führt in das
Gelände der Rabaihügel, das sich 20 bis 30 km
landeinwärts erstreckt. Mit einer reichen Vegetation,
von tiefen Schluchten durchschnitten, wird es dem
Eisenbahnbau manche Schwierigkeiten bereiten. Es
folgt der Uebergang in ein im Allgemeinen ebeneres,
wenn auch stellenweise noch stark zerklüftetes Gelände,
das bis zum etwa 570 km entfernten Kamme des
Kikuyngebirges am östlichen Rande des ostafrikanischen
Grabens ansteigt (durchschnittlich etwa in 1:250).
Es hat innerhalb der ersten 500 km Steppen-
charakter, ist von wüsten, gänzlich wasserlosen Ge-
bieten durchsetzt, meist dünn bevölkert und innerhalb
der ersten 400 km von der Tsetsefliege heimgesucht.
Den Verkehr hemmt oft dichtes, dorniges Gestrüpp,
die vorhandenen Wasserläuse bilden außer zur Regen-
zeit nur eine Kette großer Tümpel, die aber kaum
brauchbares Wasser liefern. Eine vortheilhafte Aus-
nahme machen nur der Tsavo-, Athi= und Nyrobi-
fluß bei Kilometer 200 bezw. 500 bezw. 520. Be-
sonders gefürchtet wegen Wassermangels und fast
undurchdringlichen Gestrüpps ist die Taruwiste
zwischen Kilometer 80 und 160. In der ebenfalls
meist wüsten Athicbene zwischen Kilometer 450 und
500 liegen die Verhältnisse günstiger; es finden sich
jagdbares Wild, Antilopen, Zebras 2c., aber cs
kommen auch Raubthiere (Löwen) vor. Jenseits des
Nyrobiflusses ändert sich der Charakter des Landes,
es wird schön bewaldet, ist stellenweise bebaut, die
Wasserverhältnisse bessern sich. Je mehr man sich
dem Kamme des Kikuyugebirges nähert, desto dichter
wird der Wald. Von der Höhe dieses Gebirges
(etpa 2300 m über dem Meere) geht es aber steil
hinab, 300 bis 600 m, in die Kluft des ostafrika-