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Deutsch- Meu-Guinra.
Bericht über eine Neise nach der Nordküste der
Gazelle-Dalbinsel.
Der Kaiserliche Gouverneur von Deutsch-Neu-
Guinea berichtet über eine von ihm nach der Nord-
küste der Gazelle-Halbinsel unternommene Reise, wie
solgt:
Am 20. August morgens benutzte ich die Gelegen-
heit, um mit dem Administrator der Neu-Guinea-
Kompagnie Herrn Geisler in dem Segelkutter der
Kompagnie „Baltik“ nach der nordwestlichen Seite
der Gazelle-Halbinsel zu fahren. Ich wollte die
dortigen Europäersiedelungen, das Verhältniß zwischen
den Küstenbewohnern und den Bewohnern der Baining-
Berge sowie auf der Rückreise die Wegeverhältnisse
an der Nordseite der Gazelle-Halbinsel kennen lernen.
Wir gingen am 21. morgens der Insel Massikona-
puka gegenüber, angesichts der auf einer vom Strande
aus steil aufsteigenden Bergkuppe gelegenen, mit einem
Europäer besetzten Station der Neu-Guinea-Kompagnie
vor Anker. Dr. Hahl und Dr. Schnee hatten s. Z.
diese Gegend besucht, um dem von den Küsten-
und Inselbewohnern den Bainings gegenüber be-
triebenen Sklavenraub ein Ende zu machen. Dies
scheint volllommen gelungen zu sein. Der Angestellte
der Kompagnie sowohl wie auf den Missionsstationen
Wunamarita und St. Pauli die Brüder Leonhard
und Peter erklärten mir, daß ein Sklavenraub und
Sklavenhandel nicht mehr stattfinde.
Dies ist auch die Ueberzeugung der in der
Gegend wohnenden Europäer, mit denen ich ge-
sprochen habe.
Die Neu-Guinea-Kompagnie baut z. Z. von
ihrer Station aus nach der Küste eine Fahrstraße.
Am Höhenrücken entlang führt die Trace über schroffe
Kalkfelspartien, die jedoch meist schon mit Spren-
gungen überwunden waren. In der Ebene war der
Weg durch wundervollen hochstämmigen Urwald
breit durchgeschlagen. Der Weg wird in seiner
Vollendung eine achtungswerthe Kulturleistung dar-
stellen. Auf den weniger fruchtbaren, der See zu
gelegenen Höhen hat die Kompagnie mit der Pflanzung
von Kokosnüssen begonnen und in dem herrlichen
Urwaldgebiete der Ebene versuchsweise Kakaopflänz=
linge ausgesetzt. Da diese gut gedeihen, wird nun-
mehr Administrator Geisler mit der Anlage einer
größeren Kakaokultur vorgehen. Der Hauptzweck
seiner diesmaligen Reise hierher war auch neben der
Besichtigung des Wegebaues das Aussuchen von zum
Anbau von Kakao geeignetem Lande. Ich begleitete
ihn zu verschiedenen Malen auf seinen Ausflügen
und überzeugte mich, daß größere Flächen außer-
ordentlich fruchtbaren Landes, von der Kompagnie
früher erworben, vorhanden sind und daß, falls
Kakao überhaupt in einer geringen Höhe über dem
Meeresspiegel gedeiht, worüber ja die Ansichten aus-
alle Bedingungen gegeben sind. Auf diesen Aus-
flügen fanden wir vereinzelt Eucalyptus= und Ficus-
arten. Von den letzteren schien ein Baum reichlichen
und an Kautschuk reichen Milchsaft zu geben. Das
Gebiet unterhalb der Baining-Berge ist mit immer-
fließenden Gebirgsbächen durchsetzt, die in ihrem
Laufe zuweilen in dem porösen Kalkboden ver-
schwinden und zeitweilig unterirdisch fließen. Ich
passirte zu verschiedenen Malen den Karo, den Navio
und den Malamga.
Die Missionsstation Wunamarita besorgt die
Verpflegung der umliegenden Stationen der katholi-
schen Mission. Um die im Baining-Gebirge, einige
Wegstunden von der Küste ab belegene Missions-
station St. Pauli zu besuchen, benutzte ich den von
der Mission angelegten Pfad, der für Fußgänger
und Reitthiere gut passirbar ist. Der Weg führt
durch das Malamga-Thal, welches wohl den schönsten
Wald trägt, den ich bisher gesehen. Die Vogelwelt
ist hier eine außerordentlich reiche, aber trotzdem ist
die Jagd wenig ergiebig. Kasuare und Buschhühner
weichen bei jedem Geräusch rechtzeitig in das Dunkel
des Urwaldes zurück, und Tauben, Papageien und
Nashornvögel bewegen sich krächzend und schreiend
100 bis 150 m hoch in den Kronen der Urwald-
riesen, für den Schrotschuß des Jägers fast immer
unerreichbar. "
Auf der Missionsstation St. Pauli, die auf
fruchtbarer Berghöhe gesund gelegen ist, traf ich
leider den Pater Rascher nicht an. Dieser ist der
einzige Europäer, der in den Baining-Bergen etwas
Bescheid weiß und vor allen Dingen die Sprache
der Bainings wissenschaftlich studirt hat, geläufig
spricht und so dem scheuem Bergvolke näher getreten
ist. Die Missionsschule in St. Pauli wird auch
bereits durchschnittlich täglich von 12 Schülern be-
sucht, was bei der Kürze der Zeit seit Bestehen der
Station, bei der dünnen Bevölkerung der Umgebung
und dem unwegsamen Terrain als ein sehr achtungs-
werther Erfolg zu bezeichnen ist. Die Station hatte
versuchsweise enropäische Gemüse und Kaffee an-
gepflanzt.
Der auf der Station befindliche Bruder begleitete
mich bereitwilligst auf meinen Wanderungen in das
Baining-Gebirge. Da er aber selbst erst seit kurzer
Zeit am Orte war und nicht genügend land-, sprach-
und wegekundig war, zuverlässige Führer für weitere
Partien nicht zur Verfügung standen, so mußte ich
mich damit begnügen, die nahegelegenen Ortschaften
zu besuchen. Zunächst ging ich am Nachmittage
meines Ankunftstages nach dem Gunan (LDorse)
Karo, welches, etwa 300 m höher wie die Mission,
im südwestlicher Richtung von dieser auf dem höchsten
Berggipfel der Umgegend gelegen ist. Es ist über-
haupt Sitte der Baining, ihre Häuser immer auf
die höchsten und steilsten Bergkuppen zu bauen,
jedenfalls, um so feindlichen Angriffen besser wider-
stehen zu können. Am folgenden Tage sah ich die
einandergehen, hier zu einer gewinnreichen Kultur ! Ortschaften Rocus, Vonacao, Talisca, Puctas und