Full text: Deutsches Kolonialblatt. XI. Jahrgang, 1900. (11)

RAus fremden MHolonien. 
Der Cnuanzastuß in Loanda. 
Briefen eines Reisenden entnehmen wir Folgendes: 
Wer vor noch nicht zu langer Zeit nach Loanda kam, 
um sich in das Innere zu begeben, der wurde als 
ganz selbstverständlich auf den Cuanzafluß und seine 
Schifffahrt verwiesen. Fast alle deutschen Forscher, 
die in den achtziger Jahren das gelobte Land, das 
Reich des Muata Yamvo, aufsuchten, sind diesen Weg 
gewandelt. 
Der Cuanza ist in der That der einzige Fluß 
der Provinz Angola, der südlich vom Kongo für den 
Verkehr nach dem Innern in Betracht kommt, freilich 
auch nur sein Unterlauf auf eine Strecke von 200 km. 
Der ganze obere Theil, der auf dem Peano alto 
von Benguella seinen Ursprung nimmt und noch nicht 
gänzlich erforscht ist, soll nur streckenweise und nur 
mit Kanus schiffbar sein, so daß er eine Bedeutung 
nur für den Lokalverkehr beanspruchen kann. 
Erst nachdem der Fluß bei Cambambe oberhalb 
Dondo das letzte seinen Lauf hindernde Gebirge 
durchbrochen hat, ist er im Stande, flachgehende 
Dampfer und Segelschiffe bis zu seiner Mündung 
hinabzutragen. 
Seine durchschnittliche Breite beträgt 200 bis 
300 m, seine Tiefe ändert sich nach den Jahreszeiten 
erheblich. Nur in der Regenzeit können Schiffe mit 
einem Tiefgang von fünf Fuß bis Dondo gelangen, 
sonst müssen sie bereits in Kunga Halt machen und 
ihre Ladung an flachergehende Fahrzeuge abgeben. 
Die Stärke der Strömung richtet sich gleichfalls 
nach den Trocken= und Regenperioden und dürfte im 
März und April, der Zeit der schweren Regen, bis 
sechs Meilen betragen. 
An der Mündung findet sich die bei allen west- 
afrikanischen Flüssen wiederkehrende Barre, die nur 
zur Zeit der höchsten Fluth Schiffen mit einem Tief- 
gang von fünf Fuß genügend Wasser zum Passiren 
bietet und dadurch meist eine mehrstündige Wartezeit 
verursacht. Eine weitere Schwierigkeit bildet der 
stete Wechsel der Barre, der die Inanspruchnahme 
eines Lootsen für ihre Passage erforderlich macht. 
Daß die Durchfahrt trotz dieser Hülfe nicht immer 
glatt von Statten geht, zeigen die Wracks einiger 
gestrandeter Schiffe. 
In landschaftlicher Beziehung übertrifft der Cuanza 
die meisten der nördlich laufenden westafrikanischen 
Flüsse. Das monotone Einerlei der Mangroven- 
wälder begleitet hier den Lauf nur eine kurze Strecke 
von der Mündung ab, dann tritt schon die Oelpalme 
als herrschende Baumart hervor, die ihn bis Dondo 
hinauf nur noch an wenigen Stellen verläßt. Freilich 
ist es keine üppige, eigentlich tropische Vegetation, 
die hier die Ufer einsäumt, nur vereinzelt kann über- 
haupt von einem dünnen Galeriewald die Rede sein. 
Auch die Hügelketten, die auf dem südlichen Ufer 
bei der Mündung nahe an den Fluß herantreten, 
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weiter aufwärts aber nur in Entfernung von einigen 
Kilometern dem Laufe folgen, sind meist dürfrig 
bewaldet. 
Um so ungehinderter kann aber der Blick vom 
Deck des Dampfers aus über die weiten, oft recht 
sumpfigen Flußniederungen schweifen, deren Grün sich 
wirksam von der röthlichgelben Färbung der Höhen 
abhebt. 
Zwischen Kunga und Muxima nähern sich die 
etwa 50 m hohen Hühgel, theilweise eine stärkere 
Vegetation aufweisend, den Ufern und begleiten den 
Fluß in mehr oder weniger großen Abständen, um 
bei Dondo immer höher zu werden und in Bergketten 
von einigen hundert Metern Höhe überzugehen. 
Vielfach verzweigt sich der Fluß und bildet Seen 
von erheblicher Ausdehnung, deren Hauptvorzug in 
einem außerordentlichen Fischreichthum besteht. Die 
zahlreichen sumpfigen und mit Schilfgras bestandenen 
Inseln bieten den Flußpferden und Alligatoren einen 
erwünschten Aufenthaltsort. Diese beiden Vertreter 
der Flußthierwelt sind hier noch in ungewöhnlicher 
Zahl vorhanden. Es vergeht wohl keine Dampfer- 
reise, bei der nicht die Passagiere Gelegenheit hätten, 
zu jeder Tageszeit Flußpferde außerhalb des Wassers 
und Krokodile von enormen Dimensionen, gleichzeitig 
aber auch ihre Opfer, Eingeborene mit furchtbar 
verstümmelten Gliedmaßen, zu sehen. 
So abwechselnd und interessant auch die Bilder 
sind, die an dem Auge vorüberziehen, so landschaftlich 
schön sich viele Punkte präsentiren, so ist doch der 
Gesammteindruck, den der Cuanza auf jeden Reisenden 
machen muß, der ihn in erster Linie vom Gesichts- 
punkte seiner Bedeutung für den Handelsverkehr und 
als Faktoren für die wirthschaftliche Erschließung des 
Landes betrachtet, ein trostloser. 
Man erwartet bei den vorhandenen günstigen 
Bedingungen naturgemäß eine rege Schifffahrt, 
Dampfer, Segelschisfe und Lastkanus in großer Zahl 
stromauf und ab anzutreffen, an den fruchtbaren 
Ufern blühende Handelsniederlassungen, zahlreiche 
Dörfer mit ausgedehnten Anpflanzungen, in den 
weiten Niederungen mit ihrem vorzüglichen Biehfutter 
große Rinderheerden und in den Sitzen der Bezirks- 
chefs wohlorganisirte Gemeinwesen mit starker und 
wohlhabender Bevölkerung vorzufinden. 
Von All dem ist zur Zeit nichts zu bemerken. 
Dagegen ist es ungesähr das Bild, was nach den 
übereinstimmenden Erzählungen der sämmtlichen, seit 
mehr wie 20 und 30 Jahren im Fluß befindlichen 
Weißen und Schwarzen der Cuanza noch vor zehn 
Jahren geboten hat. Damals konnte die Dampfer- 
gesellschaft der Companhia do Cuanza mit fünf 
Dampfern, die nebenbei noch große Leichter im 
Schlepptau hatten, kaum den Waarentransport be- 
wältigen. Eine ganze Flottille von Seglern war 
zur Unterstützung vorhanden, und zahllose Kanus 
vermittelten den Verkehr von Ort zu Ort. 
Für den jetzigen Verkehr genügen der Gesellschaft 
vollauf zwei mehr wie 30 Jahre alte Raddampfer
	        
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