Full text: Deutsches Kolonialblatt. XI. Jahrgang, 1900. (11)

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angehörigen Mädchen heirathen nicht in die andere 
Klasse, die Männer tragen alle einen Kamm im 
Haar. Die zweite Klasse wohnt meist im Innern, 
sie steht zwar unter eigenen Häuptlingen, hat aber 
für die erste Klasse Arbeiten zu leisten. Die Männer 
dürsen weder Kamm, noch Schildpatt- oder Muschel- 
schmuck tragen; es kommt selten vor, daß ein 
Mädchen von einem Mann der ersten Klasse zum 
Weibe genommen wird. Welche Klasse die ursprüng- 
liche ist, konnte von mir nicht festgestellt werden. 
Die Ansicht der Einen geht dahin, daß die erste 
Klasse eingewandert und die Ureinwohner unterdrückt 
hat, nach der Ansicht Anderer soll die zweite Klasse 
von weniger fruchtbaren Inseln nach Jap gekommen 
sein, um hier gegen Verpflegung zu arbeiten. Von 
diesen soll dann ein großer Theil Land erhalten 
haben und geblieben sein. 
Männer wie Frauen tragen das Haar lang, in 
einem Knoten auf dem Hinterkopf zusommengebunden, 
die Männer vielfach wie ein Toupet. Trotzdem die 
Vaper schon lange mit den Weißen Handel treiben, 
sind sie der europäischen Kleidung abhold, nur 
Hemden und Jacken sieht man vereinzelt. Die 
Männer tragen eine Gürtelschnur um die Hüften 
mit einem schmalen, zwischen den Beinen durch- 
gezogenen Schamlappen, über diesen und das Gesäß 
fällt noch ein Büschel aus dem Bast des Hybiscus- 
strauches. Den Kindern und Frauen dient ein dichter, 
bauschiger Bastrock, Letzteren unter diesem noch ein 
kleiner Grasschurz als Kleidung, kleinere Kinder 
gehen ganz nackt. Bei den Männern bemerkt man 
vielfach eme aus Blättern gefertigte Kopfbedeckung 
nach Art der Kulihüte und auf der Schulter ein 
Beil in Dechselform. Alle Bewohner aber führen 
auf ihren Gängen einen aus einem Kokoswedel ge- 
flochtenen Korb bei sich, der ihnen zur Aufbewahrung 
emiger Nahrungsmittel, von Tabak und vor Allem 
der Bethelnuß und der nothwendigen Zuthaten dient. 
Das ständige Bethelkauen giebt den Zähnen eine 
häßliche, schmutzige Farbe, bei den Mädchen werden, 
wenn sie in die Pubertät kommen, die Zähne zudem 
schwarz gebeizt. 
Die einzigen Handelswaaren, für die die Yaper 
bis jetzt Interesse haben, sind Tabak, Perlschalen, 
Hobeleisen, die als Schneide zu ihren Dechseln be- 
nutzt werden, Glasperlen, Moskitogaze, Reis, Zeuge 
und Corned Beef. Früher waren Kanonen und vor 
Allem Genever und andere alkoholhaltige Getränke, 
die sie mit dem Sammelnamen Rum bezeichnen, 
die beliebtesten Artikel. 
Noch vor einigen Jahren waren die Yaper 
schwere Trinker. Die einzelnen Gemeinden lieferten 
so viel Kopra an die Kaufleute, wie zum Tausch 
einer größeren Menge Genever — etwa 50 Kisten — 
nöthig war. Dann feierten sie mit ihren Freunden 
Zechgelage, die nicht früher endigten, bis die letzte 
Flasche ihres Vorrathes ausgetrunken war. Das 
dauerte zuweilen Wochen. Dann fühlten sich die 
Gäste zu Gegenleistungen verpflichtet, und so ging 
  
es durch die ganze Insel. In jener Zeit lieferte 
Yap große Mengen Kopra, so daß immer Mittel 
vorhanden waren. Selbstverständlich war der Genever 
nicht die beste Sorte, nicht einmal eine mittlere. Ich 
weiß, daß er auch zum Anrühren schwarzer Farbe 
benutzt wurde, mit der man Kisten signirte, und 
ebenso selbstverständlich blieben Excesse in der Trunken- 
heit nicht aus. Jetzt ist durch die Kaiserliche Ver- 
waltung die Verabfolgung geistiger Getränke an 
Eingeborene ohne besondere Genehmigung des Be- 
zirksamtmanns verboten, und es herrscht überall Ruhe 
und Ordnung auf der Insel. 
Die Yaper sind gutmüthige, freundliche Menschen, 
sie sind intelligent und als Sceleute, Handwerker, 
Wege= und Wasserarbeiter zu verwenden, sie sind 
auch fleißig, wenn es sich um eigene Angelegenheiten 
handelt oder wenn sie unter Aufsicht arbeiten. Es 
ist bekannt, daß sie noch vor einigen Jahren mit 
ihren schlanken Kanus nach den entfernten Palaus 
fuhren, dort monatelang Steine brachen und mit 
dieser schweren Ladung auf Flößen nach Yap zu—- 
rückkehrten. 
Ihre Häuser errichten sie auf steinigem Unter- 
grund, fest und dauerhaft mit hohen Giebeldächern 
und schließbaren Thüren oder Fenstern. Rings um 
das Haus und an dem Weg stehen die zu runden 
oder ovalen Scheiben mit einem Loch in der Mitte 
behauenen Steine aus den Palau, die ihnen als 
Geld dienen, und man kann somit von Yap be—- 
haupten, daß es ein Land ist, wo das Geld auf der 
Straße liegt. Die Gemeinden haben geebnete und 
gepflasterte Versammlungsplätze mit senkrecht einge- 
lassenen Steinplatten, die als Rückenlehnen dienen, 
und Gemeindehäuser (Bäwai), die auf gemeinsame 
Kosten errichtet werden. Für diese Bäwais rauben 
sie sich Mädchen aus anderen Distrikten, der Raub 
scheint jetzt aber nur Posse zu sein, eine Art Pietät 
gegen alte Gewohnheiten, thatsächlich hatte bei allen 
mir angezeigten Mädchendiebstählen vorher eine Ver- 
ständigung zwischen dem „Opfer“ und deren Eltern 
einerseits und der Gemeinde der „Räuber“ anderer- 
seits stattgefunden, in einem Fall gestand sogar die 
Geraubte, die Räuber um ihre Entführung gebeten 
zu haben. Diese Sabinerinnen werden für eine be- 
stimmte Zeit, in der Regel mehrere Jahre, Gemein- 
gut aller Männer, der ledigen wie verheiratheten, 
und kehren dann reichlich beschenkt in ihre Heimath-- 
dörfer zurück; wird eine von ihnen Mutter, so wird 
sie von einem der Dörfler geheirathet. Alle Ehen 
werden eigentlich nur auf unbestimmte Zeit geschlossen, 
sie währen zuweilen nur Wochen, jedem der Ehe- 
gatten steht es frei, sie zu lösen und eine andere 
Wahl zu treffen. Vor den Bäwais sind Plätze, auf 
denen abends, am meisten bei Mondscheinnächten, 
Kurzweil getrieben und unermüdlich — häufig bis 
zum Morgengrauen — lustig getanzt wird. Die 
Tänze mit ihren vielen, abwechselungsreichen und 
bizarren Formen lassen sich schwer beschreiben, wir 
können ihnen auch keinen annähernd so schwierigen
	        
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