Von Nusa dampften wir an diesem Tage noch
nach der kleinen Insel Kabotheron zum Besuche der
beiden dortigen Stationen der Neu-Guinea-Kompagnie
und der Handels= und Plantagengesellschaft. Wir
blieben daselbst mit Rücksicht auf eine schwere Er-
krankung des europäischen Maschinisten, die eine
nächtliche Weiterfahrt verbot, über Nacht vor Anker
liegen. Das kleine Elland Kabotheron scheint nach
der vorgenommenen Kinderuntersuchung ebenfalls stark
von Malaria verseucht zu sein. Hier bereiten auch
die Bodenverhältnisse den Moskitos eine besonders
gute Brutstätte, da die Insel zum großen Theil aus
mit schönen hochstämmigen Mangroven bewachsenem
Sumpfe besteht.
Von Kabotheron erreichten wir am anderen Morgen
Neu-Hannover und gingen vor Anker in einer weiten
Bucht an der Südwestküste, in welche sich ein kleiner
Fluß, den die Eingeborenen Saula nennen, ergießt.
Nachdem wir kaum das Land betreten hatten, prasselte
ein heftiger Regenschauer auf uns nieder. Trotzdem
setzten wir unter Führung eines Pitschin -Englisch
sprechenden Samoaners den Weg in das Innere fort,
bis wir nach halbstündigem Marsche meist durch
sumpfiges, aber anscheinend fruchtbares Gebiet den
Ort Lawangai erreichten. Hier führten uns die Ein-
geborenen in ein großes „Eßhaus“, wo wir den hef-
tigsten Regen abwarteten. In der geräumigen Hütte
war ringsum an den Wänden, 1½ m hoch, ein Vor-
rath von Brennholz geschichtet und in der Mitte der
Hütte ein großes Quadrat von faustgroßen Steinen
hergerichtet, welches als Herd diente. Auf Befragen
erzählten uns die Eingeborenen, daß hier alle Weiber
der Ortschaft gemeinsam für die sämmtlichen Dorf-
insassen das Essen bereiteten. Es scheint demnach
eine Art von Kommunismus zu herrschen. Auf unseren
Wunsch, Steingeräthschaften einzuhandeln, erklärten
die Insulaner, daß solche von ihnen nicht mehr ge-
macht und gebraucht würden. Nachdem ihnen aber
Tabak in Aussicht gestellt war, brachten sie nach und
nach aus Basalt geschlissene Klingen von Hohlbeilen
(für Kanus) und Flachäxten, sämmtlich ohne Stiel.
Die Steine lagen vermuthlich als nutzloses Ueber-
bleibsel der Voreltern vereinzelt in den Hütten umher,
ohne daß die jetzige Bevölkerung dieselben noch in
Gebrauch nahm oder die Art ihrer Anfertigung kannte.
Die Leute behaupteten nur, daß die Klingen in alter
Zeit aus sehr großen Steinen gemacht seien. Zierliche
Speere brachten sie in Menge zum Verkaufe an und
gaben gern für eine Stange Tabak einen schön ver-
zierten Speer. Ein alter Knabe, dem ich für eine
sehr schöne Hohlbeilklinge, vielleicht das Produkt einer
vierzehntägigen schweren Arbeit, eine Stange Tabak,
Werth 5 Pf., gab, lachte mich für meine Dummheit
gründlich aus.
Als der Himmel sich aufgehellt hatte, ließen wir
von allen Seiten die Kinder herbeiholen zur Milz-
untersuchung und Blutentnahme. Hierbei gab es
reichliche Geschenke an Tabak und Perlen, so daß
unser ernstes Geschäft bald sich zu einer Art von
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Volksvergnügung gestaltete. Dutzende von Männern,
Frauen und Kindern umlagerten uns, schreiend,
lachend oder auch mit der ewigen Pfeife im Munde
ein nachdenkliches Gesicht machend, bis eine scherzhafte
Zurede von uns oder das übermäßige Geschrei und
Gestrampel eines Kindes auch ihre Ruhe aus dem
Gleichgewicht brachte. Das vorläufige Resultat der
Untersuchung aus Malaria ließ die Gegend verhält-
nißmäßig gesund erscheinen, wofür auch der Kinder-
reichthum und das kräftige Aussehen der Kinder sprach.
Die Männer, selbst die alten Samoaner, waren
fast sämmtlich unbekleidet und die Frauen, auch die
zum Theil fehr schön gebauten jungen Mädchen,
trugen nur Grasfaserläppchen.
Wir fuhren mittags noch eine Strecke den Fluß
hinauf, etwa 2 km, bis das Boot fortwährend auf
dem steinigen Grunde aufstieß. Ich sammelte an
dem Endpunkte unserer Bootsfahrt einiges Gestein,
um es gelegentlich einem Geologen vorzulegen, da
von Neu-Hannover schon seit längeren Jahren ge-
rüchtweise von Goldvorkommen erzählt wird. Die
gefundenen Steine, meistens wohl jüngeres Eruptiv-
gestein, scheinen mir aber nicht viel Aussicht auf
Goldfunde zu eröffnen.
Nach zweistündiger Weiterfahrt erreichte der
„Johann Albrecht“ einen anderen guten Hafen, dem
ein größerer Fluß, dessen Eingeborenenname Boi ist,
zuströmt. Auch hier war an der Küste kein Dorf,
und wir mußten bis zur Erreichung eines solchen
erst 38 Stunden bergauf wandern. Ein großer Theil
des Weges führte durch einen stark ansteigenden
Hang, der nur mit Gras und einzelnen Pandanus-
stämmen bewachsen war. Wie die Eingeborenen uns
erzählten, war hier früher dichter Busch, nach dessen
Niederbrennung sehr großer Taro gewachsen war.
Daraus ist zu schließen, daß die vielen vom Schiffe
aus an den Berghängen zu sehenden grünen Flächen
kein unfruchtbares steiniges Land, sondern alte Kultur-
stätten sind, die zur Bepflanzung mit Kokospalmen
wegen der geringen Räumungsarbeit sich besonders
eignen würden.
In dem von uns besuchten Dorfe Asmin gab es
nur wenig Kinder. Die Leute theilten uns mit, daß
die Kinder viel krank wären und klein stürben. Herr
Geheimrath Koch war auch nach dem Kinderbefunde
der Ansicht, daß hier wahrscheinlich die Malaria sehr
stark hause. Damit war die Hoffnung, die wir nach
der Untersuchung der Kinder in Lawangai gehegt
hatten, Neu-Hannover sei möglicherweise malariafrei,
geschwunden.
Gegen Abend ruderten wir bei wundervollem
Wetter eine Stunde weit den Fluß hinauf. Derselbe
hatte im Unterlaufe eine Breite von 20 bis 30 m
und bot, auch nachdem wir einige Kilometer gefahren
waren, immer noch gutes Fahrwasser. Am Ufer
liegen Sagosümpfe, Taro= und Zuckerrohrpflanzungen
der Eingeborenen und, wie man an der stellenweise
hohen Uferböschung sehen konnte, besteht das Gelände
aus schönem fetten Lehmboden. An verschiedenen