Stellen sahen wir Eingeborene, die uns einige Male
am Ufer zutraulich eine Strecke begleiteten und mit
uns in Pitschin-Englisch eine Unterhaltung begannen.
Während nach unserer Rückkehr von der Visher=
Insel zur Küste von Neu-Mecklenburg die Anwerbung
bisher erfolglos gewesen war, gelang es an diesem
Tage, elf Neu-Hannoveraner anzuwerben. Die Leute
gehen gern als Arbeiter in die Ferne. Auf Schritt
und Tritt begegnen einem auf der Insel das Pitschin-
Englisch verstehende alte Arbeiter, die allerdings
meistens äußerlich wieder in den ursprünglichen Zu-
stand der Nacktheit zurückgekehrt sind und in ihr
Kanakerdasein von ihren Weltreisen nur die allgemeine
Kenntniß der Europäer und ihrer Sitten sowie ein
gewisses sicheres Auftreten im Verkehr mit Europäern
hinübergerettet haben.
Am 27. morgens fuhren wir die Küste von Neu-
Hannover entlang weiter und ankerten dann gegen
2 Uhr in der Marienbucht an der Westseite der Insel.
Auf der ganzen Fahrt konnte ich feststellen, daß dem
leicht gewellten und daher für Plantagenbau an sich
jedenfalls geeigneten Berglande, an dessen Abhängen
vielfach Pflanzungen der Eingeborenen oder größere
Grasflächen als Zeichen alter Kulturen sichtbar waren,
eine noch beinahe jungfräuliche Ebene, mit hohem
Urwalde bestanden, vorgelagert ist. Als Wahrzeichen
der Insel war weithin überall sichtbar der spitzkegel-
förmige Berg „Suislawa“. Nach dem Glauben der
Eingeborenen ist er der Aufenthalt der Geister der
abgeschiedenen Inselbewohner, die dort in großen
Steinhöhlen wohnen, viel Geschrei wie junge Kinder
und Hunde machen und ZJeden, der den Berg be-
steigt, tödten.
Kokospalmen sind verhältnißmäßig wenig auf der
Insel vorhanden. Doch fand ich am Lande häufiger
junge Pflanzungen von Palmen. Einmal sah ich
auch ein richtiges Pflanzbeet mit etwa zwei Dutzend
Nüssen, die entgegen der allgemein in der Südsee
verbreiteten Weise nicht an der Luft, sondern unter
der Erde zum Keimen gebracht waren.
In der Marienbucht kam ein alter Herbertshöher
Polizeijunge im Kanu ans Schiff und ließ sich aufs
Neue anwerben. Dieser brachte uns alsdann auf
einem sehr beschwerlichen Wege von einer Stunde
der Küste entlang, bald über spitze Korallen, bald
im knietiefen Seewasser hinführend, zu dem kleinen
Orte Lipengen. Unterwegs kamen wir an einer stark
fließenden eisigen Quelle vorbei, die aus einer Ko-
rallengrotte hervorströmt und nach der Mittheilung
der Eingeborenen von weit her unterirdisch in einer
Korallenhöhlung ihren Lauf hat. Die Höhlung war
zu niedrig, um ein tieferes Eindringen zu gestatten.
Aber, wie unser Führer uns erzählte, soll weiter nach
Norden zu ein Flüßchen aus dem Korallenfelsen in
das Meer einmünden, in dessen unterirdischem Ko-
rallenbette man bequem gehen kann. Am Strande
fanden wir viel riesige Stämme von Calophyllum
inophyllum und auch Barringtonia speciosa. Von
letzterem Baume wird der giftige Fruchtkern von den
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Eingeborenen in zerriebenem Zustande zum Fisch-
fange benutzt.
Lipengen ist nicht kinderreich. Es gelangten nach
vielen Bemühungen nur zehn Kinder zur Untersuchung,
die anscheinend sämmtlich an Malaria oder in Form
von Milztumoren an den Folgen fortwährender
Malariaerkrankung litten. Ein alter Häuptling, der
sich zu unserer Begrüßung einfand, redete uns sehr
zu, auch seinen nach den Bergen zu gelegenen Ort
zu besuchen. Leider mußten wir wegen Mangels an
Zeit sein Anerbieten ablehnen, da wir den schlechten
Weg bis zu unserem Boote nur bei hellem Tages-
lichte zurücklegen konnten. Auf dem Rückwege über-
raschte uns ein heftiger Regenguß, gegen den wir
uns jedoch leidlich durch Ueberhängen der von den
Eingeborenen erworbenen Matten, welche auch diese
bei ihren Wanderungen als Regendach benutzen,
schützen konnten.
Am anderen Morgen setzte der „Johann Albrecht“
seine Fahrt mit Kurs auf die Sandwich-Inseln fort.
Es waren in der Marienbucht noch vier Leute zur
Anwerbung gelangt.
Alles, was ich bei dieser Gelegenheit von Neu-
Hannover gesehen habe, hat mir die Ueberzeugung
verschafft, daß diese Insel mit ihren zahlreichen guten
Ankerplätzen, mit ihren vielen immer fließenden Wasser-
läufen, ihrem prachtvollen Urwalde, ihren leicht ge-
wellten Bergen wohl nicht vulkanischer Bildung,
ihrem durchweg guten, wenig steinigen, humusreichen
Lehmboden für tropische landwirthschaftliche Anlagen
aller Art ein besonders geeignetes Feld bieten wird.
Bei näherer Forschung wird Neu-Hannover
auch wohl bergbaulich sich als verwerthbar
erweisen. Kurz, es verspricht, wie die Pro-
vinz Hannover eine Perle im Gebiete des
Königreichs Preußen, ein Edelstein im Ge-
biete des deutschen Schutzgebietes der Süd-
see zu werden.
Im Gegensatz zu der verbreiteten Ansicht machen
mir die Eingeborenen von Neu-Hannover einen
sympathischen, friedfertigen Eindruck. Wie sie selbst
sagen, sind sie, wenn der Europäer gut ist, auch gut.
In schlechten Ruf hat diese Leute hauptsächlich ein
Händler von der Insel Kung gebracht, ein Mann,
der wegen seiner rohen Ausschreitungen bekannt war,
jetzt aber das Schutzgebiet verlassen hat.
Auf der Hauptinsel der Sandwichgruppe, welche
für alle Firmen wie auch für das Gouvernement
ein gutes Rekrutirungsfeld bildet, ließen sich noch
acht Leute anwerben, so daß das Gesammtergebniß
der Anwerbungstour 48 Männer und fünf Weiber
war. Außer Menschenmaterial werden die steinigen
Sandwich-Inseln aber in Zukunft nicht viel liefern.
Die Trepangausbeute wird nicht mehr von langer
Dauer sein, und bei dieser Gelegenheit überzeugten
mich mehrfache Wanderungen auf der großen Insel
Diaul, daß dieselbe ein nur mit einer verhältnißmäßig
dünnen und wenig fruchtbaren Lehmschicht bedeckter
Korallenstock ist. Bei den kleineren Inseln trin