Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIV. Jahrgang, 1903. (14)

Schutzgebieten sich im Laufe der letzten Jahre das 
Bedürfnis nach einer Neubearbeitung der Zollver- 
ordnungen herausgestellt hat, erschien es angezeigt, die 
angedeuteten Mißstände zu beseitigen und ihre Wieder- 
kehr für die Zukunft dadurch auszuschließen, daß die 
Zollverordnungen vom Herrn Reichskanzler erlassen 
werden. Dabei soll den Gouverneuren die erforder- 
liche Bewegungsfreiheit dadurch gewährleistet werden, 
daß ihnen die Ermächtigung zum Erlaß der Aus- 
führungsbestimmungen und Dienstanweisungen, ferner 
die Ermächtigung, auf dem Verordnungswege den 
Zolltarif abzuändern und die Abänderungen unter 
Einholung der Genehmigung des Reichskanzlers 
(Auswärtiges Amt, Kolonialabteilung) vorläufig in 
Kraft zu setzen, erteilt wird. 
Was nun den Inhalt des neuen Zolltarifs für 
Südwestafrika anlangt, so ist bei seiner Ausstellung 
davon ausgegangen worden, daß eine Erhöhung der 
Einfuhrzölle bezw. eine Neubelastung mit Einfuhr- 
zöllen nur bei Waren vorgenommen werden dürfe, 
welche entweder zu den entbehrlicheren Bedarfs- 
gütern gehören, oder welche im Schutzgebiet selbst 
bereits in einem gewissen Umfange produziert werden. 
Infolgedessen ist nach wie vor ein großer Teil der 
wichtigsten Einfuhrwaren des Schutzgebiets zollfrei 
gelassen worden. Zu diesen Warengruppen gehören 
vor allem Getreide und andere Ackerbauprodukte, 
Mehl und gewöhnliche Backwaren; ferner gehören 
hierher Metallwaren jeder Art (außer Waffen), ins- 
besondere eiserne Geräte und Werkzeuge 2c. Beide 
Gruppen von Waren sind in den übrigen Schutz- 
gebieten und wohl auch in sämtlichen nichtdeutschen 
Kolonien Afrikas mit einem Einfuhrzoll belegt. Sie 
sind für Südwestafrika auch in dem neuen Zolltarif zoll- 
frei gelassen worden, weil man mit dem Getreide 2c., das 
im Schutzgebiet bisher nicht in irgendwelchem nennens- 
werten Umfang produziert wird, den Ansiedlern 
nicht die unentbehrlichsten Nahrungsmittel verteuern 
wollte, und weil man bei den Metallwaren nicht 
die Preise der unentbehrlichsten Haus= und Wirt- 
schaftsgeräte steigern wollte. 
Dagegen erschien es allerdings unbedenklich, Zoll- 
erhöhungen vorzunehmen bei Artikeln, die im Schutz- 
gebiete in größerer Menge bereits produziert werden, 
wie bei Fleisch und Fleischwaren, bei Leder, bei gewöhn- 
lichem Tabak; soweit der höhere Zollsatz bei solchen 
Artikeln eine Preiserhöhung im Schutzgebiet bewirkt, 
kommt diese zu einem erheblichen Teil den Farmern des 
Schutzgebiets zu gute. Ferner sind die Zölle erhöht 
worden bei einigen Genußmitteln und bei alkohol- 
haltigen Getränken; von diesen Zollerhöhungen hat 
namentlich diejenige auf Kaffee (von 20 auf 30 Pf. 
pro kg) eine scharse Beurteilung gefunden. Es 
kann dem nur entgegengehalten werden, daß der Zoll 
auf Kaffee auch nach dem neuen Tarif immer noch 
relativ niedrig ist, sowohl in Anbetracht des geringen 
Verbrauchs pro Kopf als auch im Vergleich mit dem 
heimischen Zollsatz, der für rohen Kaffee 40 Pf. pro kg, 
für gebrannten Kaffee 60 Pf pro kg beträgt. Ahnliches 
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gilt für die Zollerhöhungen auf Kakao, Thee, Ge- 
würze, getrocknete Südfrüchte, seinere Backwaren 2c. 
Bei den neu eingeführten Zöllen auf Stein-, 
Ton= und Glaswaren sind grobe, ungefärbte, unbe- 
malte Stein= und Tonwaren, Fenster= und Spiegel- 
glas, Flaschen 2c. ausdrücklich ausgenommen, so daß 
auch hier die Zollbelastung durchaus erträglich sein 
dürfte. Von dem ursprünglich geplanten Zoll auf 
gewisse Luxusgegenstände, wie Uhren, Gold= und 
Silberwaren 2c., ist Abstand genommen worden, weil 
bei der Geringfügigkeit der Einfuhr solcher Dinge 
und bel der Schwierigkeit der Kontrolle der Zoll- 
ertrag nicht im Verhältnis zu Arbeit und Kosten 
stehen würde. Der hohe Einfuhrzoll auf Gewehre, 
Muster 88, 2c. ist mit der Bestimmung, prohibitiv zu 
wirken, an die Stelle des bisher bestehenden abso- 
luten Einfuhrverbotes gesetzt worden, und zwar 
lediglich deshalb, weil erfahrungsgemäß die in das 
Schutzgebiet einwandernden Personen sich stets genau 
über die Zollsätze informieren, während sie häufig 
eine Information über etwa bestehende Einfuhrver- 
bote unterlassen. 
Großen Widerspruch erregt hat schließlich die 
Festsetzung des Ausfuhrzolls für weibliches Rindvieh 
auf 50 Mk., für weibliches Kleinvieh auf 5 Mk. pro 
Stück. Dabei wird vergessen, daß dieser Ausfuhr- 
zoll bis vor kurzem 100 Mk. bezw. 10 Mk. pro 
Stück betragen hat, und daß die Herabsetzung auf 
20 bezw. 2 Mk. erst während des Urlaubs des 
Gouverneurs erfolgt ist. Es muß selbstverständlich 
dem Gouverneur vorbehalten bleiben, in diesen für 
das Schutzgebiet sehr wichtigen Zöllen auf Grund 
der Kenntnis der Verhältnisse an Ort und Stelle 
Vorschläge zu machen, welche geeignet sind, das 
Interesse des Schutzgebiets am Viehexport mit dem 
Interesse an der Erhaltung eines ausreichenden Be- 
standes an Zuchtvieh zu vereinigen. Wenn seitens 
des Gouverneurs bei seiner Anwesenheit in Berlin 
die in den Tarif ausgenommenen Zollsätze befürwortet 
worden sind, so steht das einer Revision seines Urteils 
über den allen Interessen gerecht werdenden Zollsatz 
nicht im Wege; sollten sich die gegen die Wieder- 
erhöhung des Ausfuhrzolls auf Vieh erhobenen Be- 
schwerden als begründet erweisen und sollte sich die 
Aufrechterhaltung der niedrigen Zölle mit dem In- 
teresse an der Weiterentwickelung der Viehzucht des 
Schutzgebiets vereinbaren lassen, so wird der Gou- 
verneur zweifellos nicht zögern, von der ihm erteilten 
Ermächtigung, die Zollsätze auf dem Verordnungs- 
wege abzuändern, Gebrauch zu machen. 
Es sei noch erwähnt, daß der Kolonialrat in 
seiner letzten Tagung, nachdem ihm die bei der Auf- 
stellung des neuen Zolltarifs für Südwestafrika maß- 
gebenden Grundsätze dargelegt worden waren, den 
Tarif als eine brauchbare Vereinigung der wirt- 
schaftlichen und finanziellen Interessen des Schutz- 
gebiets anerkannt hat.
	        
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