Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

408 Serhien. (März 7.—August Anfang.) 
Der Altradikale Markowitsch protestiert gegen die Tätigkeit der Re- 
gierungspartei, welche keine Skupschtinasitzung, sondern eine Klubberatung 
abhalte. Der Regierungsabgeordnete Andjelkowitsch legt dar, daß der 
Vertrag überhaupt nicht vor jenem mit Oesterreich-Ungarn hätte in der 
Skupschtina eingebracht werden sollen. Während die Handelsbilanz mit 
Oesterreich--Ungarn mit 18 Millionen Dinaren aktiv sei, sei jene mit Deufsch- 
land mit 5 Millionen passiv. Da die Passivität noch steigen werde, könnten 
für Serbien gefährliche Zeiten kommen. Redner beantragt deshalb die 
Zurückziehung des Vertrages. Finanzminister Markowitsch tritt für den 
Vertrag ein, da derselbe immerhin einem Zollkriege vorzuziehen sei. 
7. März. Das Kabinett Stojanowitsch tritt wegen des Kon- 
fliktes mit Österreich-Ungarn zurück und wird am 14. durch ein 
jungradikales Ministerium Gruitsch ersetzt. 
17. April. Das Kabinett Gruitsch tritt zurück und wird durch 
ein Ministerium Paschitsch ersetzt (30. April). 
31. Mai. Das Handelsprovisorium mit Österreich-Ungarn 
wird auf diplomatischem Wege stillschweigend bis auf weiteres ver- 
längert. 
Mitte Juni. Das Regierungsorgan „Samo Ouprawa“ pole- 
misiert gegen die Darlegungen des Grafen Goluchowski in den 
Delegationen: 
Die serbische Regierung sei bei den vom Grafen Goluchowski be- 
anstandeten Abmachungen mit Bulgürien (dem sogenannten Zollunions= 
projekt) in ihrer Zuvorkommenheit gegen Oesterreich--Ungarn so weit ge- 
gangen, daß sie von vornherein Vorbehalte bezüglich der Annahme dieses 
Vertrages machte, wenn derselbe ein Hindernis für den Abschluß von 
Handelsverträgen mit anderen Staaten sei. Auch in der Frage der staat- 
lichen Bestellungen im Auslande habe Serbien unter Rücksichtnahme auf 
die Notwendigkeit guter Beziehungen zu der großen Nachbarmonarchie und 
auf die Forderungen derselben in Aussicht gestellt, daß die Bestellungen 
bei gleichem Preise und gleichen Qualitäten in Oesterreich-Ungarn gemacht 
werden, allerdings mit Ausnahme der Artilleriebestellungen. Bezüglich 
der letzteren sei die Regierung an den Bericht der militärischen Fach- 
kommission gebunden. Dieser Bericht habe sich nicht für Bestellungen aus 
Oesterreich--Ungarn ausgesprochen. Keine serbische Regierung könnte anders 
vorgehen; auch würde keine Skupschtina ein anderes Vorgehen der Re- 
gierung gutgeheißen haben. 
25. Juni. Bei den Wahlen zur Skupschtina werden gewählt 
84 Altradikale, 49 Jungradikale, 14 Nationalisten, 3 Fortschrittler, 
1 Sozialist. 
4. Juli. Der Zollkrieg mit Österreich-Ungarn beginnt. Öster- 
reich-Ungarn wendet Repressalien gegen die serbische Ausfuhr an. 
Anfang August. Die serbische Regierung veröffentlicht die 
Korrespondenz mit Österreich-Ungarn über die Handelsfrage. Öster- 
reich-Ungarn protestiert dagegen als eine Verletzung der inter- 
nationalen Courtoisie.
	        
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