Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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daß, obgleich die Zahlen über die Ausfuhr nach 
Amerika die einzigen statistischen Angaben sind, 
über welche verfügt werden kann, sie kein voll- 
kommen getreues Bild geben, da große Mengen 
der in den Niederlanden gekauften Diamanten 
über Antwerpen und andere Plätze nach Amerika 
versandt werden. Die feste Preispolitik, welche 
die Produzenten voriges Jahr haben befolgen 
können, konnten sie denn auch im Jahre 1911 
aufrechterhalten. Dies war ihnen um so leichter, 
als die Produktion in Britisch-Südafrika wegen 
Mangels an Arbeitskräften nicht bis zu dem 
Höhepunkt gebracht werden konnte, welchen sie 
sonst hätten erreichen können; infolgedessen wird 
denn auch die erzeugte Menge Diamanten im 
Jahre 1911 wahrscheinlich geringer als im Jahre 
1910 sein. Außerdem war die Nachfrage nach 
Rohdiamanten sehr lebhaft, und es haben vor 
allem unsere Amsterdamer Kaufleute von London 
für sehr große Beträge Rohdiamanten bezogen. 
Diesen günstigen Zustand des Rohdiamanten- 
Marktes haben sich auch die deutschen Diaman-- 
tenproduzenten zunutze gemacht. Bei der Er- 
neuerung des Kontrakts der deutschen Diamant- 
regie mit dem Antwerpener Syndikat sind die 
Preise aufs neue erhöht worden. Doch auch für 
die Händler war der Geschäftsgang nicht allge- 
mein günstig. Bereits im vorigen Jahre mußte 
ich darauf hinweisen, daß die große Produktion 
von Melé-Waren den Markt für diese Waren 
gedrückt hatte. Hierin ist im Jahre 1911 keine 
Besserung eingetreten; eher ist das Gegenteil 
wahr. Es ist bekannt, daß der allergrößte Teil 
der Produktion, sowohl der Premier-Mine als 
auch der Diamantfelder in Deutsch Südwestafrika, 
aus Möolé-Waren besteht und mit Rücksicht hier- 
auf würde es unvorsichtig sein, sich der Hoffnung 
hinzugeben, daß der Melé-Markt sich bald diesem 
weniger günstigen Zustand würde entziehen können. 
Im Monat Oktober hat ein unangenehmer 
Zwischenfall den Markt eine Zeitlang beunruhigt. 
Infolge von Spekulationen ist der Schleifpreis 
plötzlich von fl 1,80 auf fl 3,60 gestiegen, worauf 
ein schneller Rückschlag gefolgt ist. Diese Preis- 
schwankungen haben, sowohl hier als in Ant- 
werpen — dort aber mehr als hier — Opfer 
gefordert. 
Schließlich darf ich wohl, da noch vor einigen 
Jahren in manchen ersten Kreisen eine Befürch- 
tung vor llbberproduktion von Diamanten be- 
stand, mit Genugtnung darauf hinweisen, daß 
diese Befürchtung sich nicht verwirklicht hat und 
daß sie, falls keine neuen reichen Diamantfelder 
entdeckt werden, jetzt wohl als grundlos angesehen 
werden darf. Die Produktion der de Beers hält 
sich schon, abgesehen von der freiwilligen Ein- 
schränkung in den Kriegsjahren 1907/1908 und 
  
1908/1909, auf einer gleichmäßigen Höhe; sie 
schwankte in den letzten zehn Jahren — mit 
Ausnahme der soeben genannten beiden Jahre — 
zwischen 2210000 Karat und 2500000 Karat. 
Jedoch nach dem Jahre 1907, wo die Produktion 
der Premier plötzlich auf 1890 000 Karat gestiegen 
war — eine Zunahme von fast 1000000 Karat 
im Verhältnis zum vorigen Jahre —, hat die 
Befürchtung bestanden, daß diese damals noch 
neue Mine ihre Produktion auch weiterhin be- 
deutend vergrößern würde. Der Vorstand selbst 
hatte nämlich schon die Absicht zu erkennen ge- 
geben, die Einrichtungen derartig auszubreiten, 
daß eine Jahresproduktion von 4 Millionen Karat 
würde erzielt werden können. Glücklicherweise 
ist dies in Wirklichkeit nicht geschehen. Wohl hat 
die Menge des gewaschenen Bodens seitdem be- 
deutend zugenommen, sie betrug im Jahre 1910: 
9332000 Loads gegen 7199000 Loads im Jahre 
1907, aber gleichzeitig ist der Gehalt des ge- 
grabenen Bodens von 0,29 auf 0,23 Karat für 
das Load zurückgegangen. Dadurch ist der Markt 
nicht nur von der gefürchteten UÜberproduktion 
verschont geblieben, sondern es haben auch gleich- 
zeitig die Produktionskosten für die Premier zu- 
genommen, was gleichfalls zur Erhaltung einer 
konservativen Preispolitik beiträgt. Da sich nun 
außerdem herausgestellt hat, daß es nicht so leicht 
ist, Arbeiter für eine so viel größere Produktion 
zu bekommen, so erachtet sich der Markt wenig- 
stens von dieser Sorge für befreit. 
Auch die im Jahre 1907 gleichfalls gehegte 
Befürchtung von einer unbegrenzten Ausdehnung 
der Produktion in Deutsch-Südwestafrika hat 
sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. Zwar ist 
diese Produktion von 486000 Karat im Jahre 
1909 auf 798000 Karat im Jahre 1910 ge- 
stiegen, doch ist eine weitere bedeutende Aus- 
breitung seitdem nicht eingetreten. Geht man von 
den von Zeit zu Zeit veröffentlichten Zahlen über 
die monatlichen Shipments deutscher Diamanten 
aus, dann kommt man zu dem Schlusse, daß die 
Produktion des Jahres 1911 nicht sehr viel von 
der des Jahres 1910 abweichen wird. Außerdem 
darf man mit der Möglichkeit rechnen, daß die 
Produktion von Deutsch-Südwestafrika sich wieder 
vermindern wird. Denn die bis jetzt gemachten 
Erfahrungen beweisen, daß die Diamanten, je 
tiefer man kommt, desto seltener werden, was an 
und für sich eine Verminderung der Produktion 
zur Folge haben kann, während außerdem zahl- 
reiche Felder, welche an der Oberfläche noch einen 
lohnenden Ertrag bringen können, später keine 
gewinnbringende Ausbeute mehr in Aussicht stellen. 
lber eine weitere große Ausdehnung der 
Melé-Produktion ist man also zur Zeit ziemlich 
beruhigt. Sollte es gelingen, im sernen Osten,
	        
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