— 420 2
daß, obgleich die Zahlen über die Ausfuhr nach
Amerika die einzigen statistischen Angaben sind,
über welche verfügt werden kann, sie kein voll-
kommen getreues Bild geben, da große Mengen
der in den Niederlanden gekauften Diamanten
über Antwerpen und andere Plätze nach Amerika
versandt werden. Die feste Preispolitik, welche
die Produzenten voriges Jahr haben befolgen
können, konnten sie denn auch im Jahre 1911
aufrechterhalten. Dies war ihnen um so leichter,
als die Produktion in Britisch-Südafrika wegen
Mangels an Arbeitskräften nicht bis zu dem
Höhepunkt gebracht werden konnte, welchen sie
sonst hätten erreichen können; infolgedessen wird
denn auch die erzeugte Menge Diamanten im
Jahre 1911 wahrscheinlich geringer als im Jahre
1910 sein. Außerdem war die Nachfrage nach
Rohdiamanten sehr lebhaft, und es haben vor
allem unsere Amsterdamer Kaufleute von London
für sehr große Beträge Rohdiamanten bezogen.
Diesen günstigen Zustand des Rohdiamanten-
Marktes haben sich auch die deutschen Diaman--
tenproduzenten zunutze gemacht. Bei der Er-
neuerung des Kontrakts der deutschen Diamant-
regie mit dem Antwerpener Syndikat sind die
Preise aufs neue erhöht worden. Doch auch für
die Händler war der Geschäftsgang nicht allge-
mein günstig. Bereits im vorigen Jahre mußte
ich darauf hinweisen, daß die große Produktion
von Melé-Waren den Markt für diese Waren
gedrückt hatte. Hierin ist im Jahre 1911 keine
Besserung eingetreten; eher ist das Gegenteil
wahr. Es ist bekannt, daß der allergrößte Teil
der Produktion, sowohl der Premier-Mine als
auch der Diamantfelder in Deutsch Südwestafrika,
aus Möolé-Waren besteht und mit Rücksicht hier-
auf würde es unvorsichtig sein, sich der Hoffnung
hinzugeben, daß der Melé-Markt sich bald diesem
weniger günstigen Zustand würde entziehen können.
Im Monat Oktober hat ein unangenehmer
Zwischenfall den Markt eine Zeitlang beunruhigt.
Infolge von Spekulationen ist der Schleifpreis
plötzlich von fl 1,80 auf fl 3,60 gestiegen, worauf
ein schneller Rückschlag gefolgt ist. Diese Preis-
schwankungen haben, sowohl hier als in Ant-
werpen — dort aber mehr als hier — Opfer
gefordert.
Schließlich darf ich wohl, da noch vor einigen
Jahren in manchen ersten Kreisen eine Befürch-
tung vor llbberproduktion von Diamanten be-
stand, mit Genugtnung darauf hinweisen, daß
diese Befürchtung sich nicht verwirklicht hat und
daß sie, falls keine neuen reichen Diamantfelder
entdeckt werden, jetzt wohl als grundlos angesehen
werden darf. Die Produktion der de Beers hält
sich schon, abgesehen von der freiwilligen Ein-
schränkung in den Kriegsjahren 1907/1908 und
1908/1909, auf einer gleichmäßigen Höhe; sie
schwankte in den letzten zehn Jahren — mit
Ausnahme der soeben genannten beiden Jahre —
zwischen 2210000 Karat und 2500000 Karat.
Jedoch nach dem Jahre 1907, wo die Produktion
der Premier plötzlich auf 1890 000 Karat gestiegen
war — eine Zunahme von fast 1000000 Karat
im Verhältnis zum vorigen Jahre —, hat die
Befürchtung bestanden, daß diese damals noch
neue Mine ihre Produktion auch weiterhin be-
deutend vergrößern würde. Der Vorstand selbst
hatte nämlich schon die Absicht zu erkennen ge-
geben, die Einrichtungen derartig auszubreiten,
daß eine Jahresproduktion von 4 Millionen Karat
würde erzielt werden können. Glücklicherweise
ist dies in Wirklichkeit nicht geschehen. Wohl hat
die Menge des gewaschenen Bodens seitdem be-
deutend zugenommen, sie betrug im Jahre 1910:
9332000 Loads gegen 7199000 Loads im Jahre
1907, aber gleichzeitig ist der Gehalt des ge-
grabenen Bodens von 0,29 auf 0,23 Karat für
das Load zurückgegangen. Dadurch ist der Markt
nicht nur von der gefürchteten UÜberproduktion
verschont geblieben, sondern es haben auch gleich-
zeitig die Produktionskosten für die Premier zu-
genommen, was gleichfalls zur Erhaltung einer
konservativen Preispolitik beiträgt. Da sich nun
außerdem herausgestellt hat, daß es nicht so leicht
ist, Arbeiter für eine so viel größere Produktion
zu bekommen, so erachtet sich der Markt wenig-
stens von dieser Sorge für befreit.
Auch die im Jahre 1907 gleichfalls gehegte
Befürchtung von einer unbegrenzten Ausdehnung
der Produktion in Deutsch-Südwestafrika hat
sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. Zwar ist
diese Produktion von 486000 Karat im Jahre
1909 auf 798000 Karat im Jahre 1910 ge-
stiegen, doch ist eine weitere bedeutende Aus-
breitung seitdem nicht eingetreten. Geht man von
den von Zeit zu Zeit veröffentlichten Zahlen über
die monatlichen Shipments deutscher Diamanten
aus, dann kommt man zu dem Schlusse, daß die
Produktion des Jahres 1911 nicht sehr viel von
der des Jahres 1910 abweichen wird. Außerdem
darf man mit der Möglichkeit rechnen, daß die
Produktion von Deutsch-Südwestafrika sich wieder
vermindern wird. Denn die bis jetzt gemachten
Erfahrungen beweisen, daß die Diamanten, je
tiefer man kommt, desto seltener werden, was an
und für sich eine Verminderung der Produktion
zur Folge haben kann, während außerdem zahl-
reiche Felder, welche an der Oberfläche noch einen
lohnenden Ertrag bringen können, später keine
gewinnbringende Ausbeute mehr in Aussicht stellen.
lber eine weitere große Ausdehnung der
Melé-Produktion ist man also zur Zeit ziemlich
beruhigt. Sollte es gelingen, im sernen Osten,