Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

W 870 20 
wert des Saxaulholzes leuchtet es völlig ein, daß 
von jeher dieser Pflanze seitens der Eingeborenen 
eifrig nachgestellt und sie auf weite Strecken hin 
vollkommen ausgerottet wurde. Häufige scharfe, 
oft zu Orkanen gesteigerte Winde taten dann das 
ihrige. 
Heyfelder (a. a. O. S. 24 f.) spricht sich über 
die verhängnisvollen Wirkungen dieses Vorganges 
in früheren Zeiten folgendermaßen aus: „Durch 
die Ausrottung des Saxaulbestandes, welcher mit 
seinen langen Wurzeln tief in die „Barchane- 
oder Dünen eindringt und dem Sande Konfistenz 
verleiht, sind diese Sandhügel beweglich geworden 
und werden von den Polarwinden, welche oft 
drei Monate dauern, verweht, und zwar von N0 
gegen SW. Der Flugsand hat 1868 den Bezirk 
Romitan') im Osten von Buchara, neuerdings 
das reiche Gebiet von Vardondi erreicht; so 
gingen zugrunde die Städte Kodscha-Oka, 
Bakuad und das alte Kara-Kul, bei welchem 
sich früher die Kanäle des Syr, des Amu 
und des Serafschan begegneten.“ 
Man ersieht hieraus, daß auch in jenem Lande 
durch Flugsand große Katastrophen hervorgerufen 
wurden, wie wir sie z. B. aus der Geschichte der 
Kurischen Nehrung kennen. Blühende Ortschaften 
sind in Turkestan und Buchara verschüttet, und 
Tausende von Familien zur Auswanderung ge- 
trieben worden. 
Ich möchte nicht unerwaͤhnt lassen, daß sowohl 
in Nord-Turkestan wie auch in Ferghana Flug- 
sanddünen von geringerer oder größerer Aus- 
dehnung erxistieren, die aber nicht annähernd die 
Mächtigkeit der transkaspischen Dünen erreichen und 
daher auch für Störungen des Verkehrs nur gering- 
fügige Bedeutung erlangen. Nach den Forschungen 
Alexander v. Middendorfs, der diese Bil- 
dungen eingehend untersucht hat“"), entspringen 
die nordturkestanischen Dünen größtenteils der 
Wüste Kara-Kum (in der Nähe des ehemaligen 
Nordufers des Aralsees), während diejenigen 
Ferghanas auf die allmähliche Auswaschung sand- 
haltiger Lößschichten des Ferghana-Tals zurück- 
zuführen sind. Mit diesen Dünen wird sich der 
folgende Bericht nicht näher beschäftigen, da sie 
mit den südwestafrikanischen nicht vergleichbar find, 
und ihre Festlegung nach Methoden erfolgt, deren 
Anwendung in Südwestafrika — wenn überhaupt 
möglich — schon an der Kostenfrage scheitern 
würde. Einige Beobachtungen über die fragliche 
Methodik werden unten beiläufig mitgeteilt werden. 
Die Wanderdünen an der Mittelasiatischen Bahn 
treten sowohl als Einzeldünen wie in Form von 
  
*) Wohl das „Raunatan“ der Stielerschen Karte, 
östlich von der Stadt Buchara gemeint. ## 
A. v. Middendorf. Einblicke in das Ferghana- 
Tal (1881), S. 30 ff. und Tafel I und II. 
  
Dünenzügen auf; längs der Bahnlinie überwiegen 
erstere. Sie stellen hier zumeist konvexe Einzel- 
dünen, im Sinne Gerhardts') — dessen Nomen- 
klatur ich auch im folgenden anwenden werde 
— und zwar zu Scharen oder Zügen an- 
geordnete „Sicheldünen“ dar. Da die na- 
türlichen Gestaltungsverhältnisse und die Wander- 
bahnen von den Winden abhängig sind, ist es 
unter den hier obwaltenden eigenartigen Wind- 
verhältnissen (s. u.) leicht erklärlich, daß die Dünen 
verschieden gerichtet sind. (Vgl. Taf. I.) 
Desgleichen unterliegen auch die natürlichen 
Böschungswinkel der transkaspischen Dünen ge- 
wissen Schwankungen; wenn auch der Abfall in 
Lee bisweilen recht steil wird, so entsinne ich mich 
doch nicht, eigentliche „Sturzdünen“ mit extrem 
steiler Böschung““) gesehen zu haben. 
Die relative Höhe der Dünen wechselt 
im allgemeinen zwischen 4 bis 12 m; doch 
werden sie stellenweise noch höher. Raddef) 
gibt für eine gewisse Strecke des Gebiets die 
maximale Höhe auf 30 bis 35“, die Länge der 
Dünenrücken auf 30 bis 70“ an. 
Nach den von Muschketow und Obrutschew 
ausgeführten Messungen schwankt die Größe des 
Winkels, unter dem die Düne sich erhebt, zwischen 
6 und 17“, die des Schüttungswinkels zwischen 
30 und 40% In Ferghana fand v. Midden- 
dorfKf) noch viel steiler abfallende Dünen mit 
einem Schüttungswinkel von etwa 60% Die 
Formen der Gipfel mögen aus Besseys beige- 
fügter Abbildung (Taf. 1) ersehen werden, die auch 
— wenigstens für eine gewisse Gruppe von Dünen 
— die Neigungsverhältnisse in Luv und Lee er- 
kennen lassen. Um alle diese Erscheinungen richtig 
deuten zu können, müßten u. a. die ursächlichen 
Zusammenhänge mit Windrichtung, Windstärke, 
Niederschlägen und dem zeitlichen Zusammenfall 
der letzteren mit dem gerade herrschenden Winde 
herangezogen werden. Das hierzu erforderliche 
Beobachtungsmaterial steht mir leider nicht zur 
Verfügung. 
Über Schnelligkeit der Wanderung der 
tranuskaspischen Dünen hat Konschin Unter- 
suchungen ausgeführt, die u. a. zu folgenden 
Ergebnissen geführt haben:###) Die Schnelligkeit 
der Bewegung hängt von der Stärke des Windes 
ab und steht in umgekehrtem Verhältnis zur 
Masse der Düne. Isolierte Dünen bewegen sich 
schneller als zusammenhängender Flugsand, 
o Zandbuch des deutschen Dünenbaues. Berlin 
# 
) Hrrbgen a. a. O. S 
a. n O 11f. 
137'. 
O. . 82. 
93 
) Nach Radde, a. a. O. S. 19.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.