Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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erstere bis zu 70° in 24 Stunden, letzterer nur 
7° im Verlauf eines Jahres. 
Der Dünensand der transkaspischen Barchane 
weist eine mehr oder weniger starke staubförmige 
Beimischung von Löß, dem Material der be- 
nachbarten Steppen, und stellenweise auch von 
Salz aus nahe gelegenen Salzausblühungen der 
Steppen stammend, auf. 
Die Tatsache der Lößbeimischung ist 
von außerordentlicher Tragweite für die 
Technik und die Erfolge der Dünen- 
bepflanzung. Denn der (Solische) Löß Turans 
ist, wie bekannt, sehr reich an Pflangennähr= 
stoffen aller Art, und es bedarf nur seiner Be- 
feuchtung mit Wasser, um diese Nährstoffe zur 
Wirkung kommen zu lassen. Die von Obrutschew 
mitgeteilten Analysen von Wüsten= und Dünen- 
sand Trauskaspiens weisen denn auch einen relativ 
hohen Gehalt an in Salzsäure löslichen Stoffen 
auf. Phosphorsäure ist allerdings entweder gar 
nicht oder nur in Spuren vorhanden.“) 
Die Befeuchtung erfolgt — da die sehr gering- 
fügigen und noch dazu auf 5 Monate des Jahres 
verteilten Niederschlagsmengen (s. u.) nur eine 
ephemere Benetzung der oberflächlichen Sand- 
schichten bewirken können — vor allem durch die 
reichliche Taubildung im Innern des 
Dünensandes selbst, eine Erscheinung, der wir 
hier ebenso begegnen wie z. B. auf den Dünen 
der Kurischen Nehrung. Nur mit dem Unter- 
schied, daß der Dünensand der Nehrung schon 
etwa handbreit oder doch wenige Dezimeter unter der 
Oberfläche die Feuchtigkeit deutlich erkennen läßt, 
während diese in den durchglühten Barchanen 
Turans — wenigstens im Hochsommer — erst 
in größerer Tiese bemerkbar wird.“'“) An einigen, 
bei meiner Anwesenheit untersuchten Stellen wurde 
diese Tiefe auf etwa 70 cm bzw. 1 m ermittelt. 
Da sich die Pflanzenwelt, wie unten gezeigt 
werden wird, den abnormen Verhältnissen mit 
besonderen Einrichtungen des Wurzelsystems an- 
paßt, ist sie in der Lage, auch diesen Feuchtig- 
keitsvorrat für die Nahrungsaufnahme auszunutzen. 
Dazu kommt endlich, daß die Dünen der 
fraglichen Gegend, soweit bisher festgestellt wurde, 
auf einer Unterlage von Lößboden ruhen. 
Sofern nicht im einzelnen Falle die Höhe der 
Sandmasse dem entgegensteht, werden also die 
Befestigungspflanzen zu allem anderen noch die 
Möglichkeit haben, mit ihren Wurzeln in das 
  
*) Radde S. 16. Reicher an Phosphorsäure ist 
der Dünensand aus Ferghana, wo offenbar stärkere 
Lößüberwehungen stattfinden als in Transkaspien. 
S. Middendorf S. 44 und C. Schmidt (Anhang zu 
Middendorfs Werk S. 2, Analysen 2 und 3). 
*) Vgl. hiergu v. Middendorf S. 48f. 
  
feste fruchtbare Erdreich der Unterlage einzu- 
dringen. 
Im Gegensatz zu den Dünenbefestigungsar- 
beiten an der deutschen Ostseeküste, insbesondere 
auf der Kurischen Nehrung,') wo es sich um 
eine ausgesprochen intensive und daher ver- 
hältnismäßig kostspielige Befestigungsarbeit handelt, 
und auch im Gegensatz zu den schon oben er- 
wähnten Dünen Nord-Turkestans und Ferghanas 
wird an der transkaspischen Strecke der Mittel- 
asiatischen Bahn ein extensives System verfolgt, 
das, für die dortigen Verhältnisse vollkommen 
ausreichend, den Vorzug größerer Billigkeit bietet. 
Außerdem ist es dem hier herrschenden Arbeiter- 
mangel angepaßt, und endlich zwingt das System 
nach einmal erfolgtem Beginn der Arbeiten zu 
schneller Erledigung. Denn es gilt dabei als Prinzip, 
zunächst überall in der Befestigungszone ein weit- 
maschiges Netz von Anpflanzungen zu schaffen, 
das dann allmählich im Laufe von 4 bis 5 Jahren 
ausgefüllt wird. Diese Zone erstreckt sich nördlich 
von der Bahn, d. h. in der Hauptwindrichtung, 
im Minimum auf 150 Ssashén (1 Ssashéen — 
2,134 m), also 330 m, südlich von der Bahn 
auf 50 Ssashen. Man hat die Erfahrung ge- 
macht, daß diese Schutzstreifen sich durch natür- 
liche Bestockung mit Befestigungspflanzen selbst- 
tätig noch wesentlich verbreitern. Zum Ver- 
ständnis dieser Angaben sei erwähnt, daß die Haupt- 
windrichtung in N liegt, und zwar 8 Monate 
des Jahres — April bis November — hindurch 
die Winde aus N und NW wehen, während im 
Winter (4 Monate) die Winde aus den ent- 
gegengesetzten Richtungen (8 und 80) kommen. 
Der Schutzstreifen wird also in Luv dreimal so 
breit angelegt als in Lee, bezogen auf die 
Hauptwindrichtung. Innerhalb der beiden ge- 
nannten Windperioden sollen nur geringsügige 
Schwankungen in der Windrichtung zu beob- 
achten sein. 
Man hat hier zeitweilig mit ungeheuren 
Gewalten zu rechnen. Ich selbst habe während 
meines Aufenthaltes in jener Gegend Sand- 
stürme erlebt, die eine mehrstündige Verspälung 
der Eisenbahnzüge zur Folge hatten. Mit einer 
Dräsine gegen den Wind zu fahren, war dabei 
kaum möglich, die Sonne wurde verfinstert, und 
das Licht erschien am Sommernachmittag so fahl 
wie etwa hier bei einer Sonnenfinsternis oder im 
Winter bei Schneeluft. Bemerkenswert war, daß 
eine Sandverwehung des Gleises nicht stattfand. 
Betreffs der klimatischen Verhältnisse 
des Gebiets ist im übrigen noch folgendes nach- 
zutragen: Wie bekannt, wird jenes Land von 
einem ausgesprochenen Kontinentalklima beherrscht. 
*) Vgl. Gerhardt, Handbuch.
	        
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