Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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eine Anderung fordern, insbesondere weil die Nord- 
und Südprovinzen gegenwärtig unter zwei verschie- 
denen Gesetzgebungen stehen, deren Vereinigung not- 
wendigerweise eine große und zeitraubende Aufgabe 
darstellt. 
Ich hatte gehofft, dem Staatssekretär den Plan 
einer gesetzgebenden Versammlung Nigeriens vor- 
schlagen zu können. Gegenwärtig und bis zu einer 
gründlichen Verbesserung des Eisenbahnnetzes ist ein 
solcher Vorschlag aber nicht möglich. Wenn die gesetz- 
gebende Versammlung Nigeriens die öffentliche Meinung 
des Landes darstellen soll, müssen ihre nichtamtlichen 
Mitglieder von Calabar so gut als von Lagos, 
von dem Minengebiet und von Kano *. 
werden. Es gibt z. Z. aber keinen Platz, so zentral 
er auch gelegen sein mag, den zu den Verfamnchmngen 
zu besuchen der Kaufmann oder andere Personen Zeit 
finden würden. Es würde offenbar ungerecht sein, die 
mohammedanischen Emirate des Nordens und die Minen- 
interessen auf dem Bauchi- Plateau unter einen Rat zu 
stellen, der an der Küste sitzt und in dem sie nicht ver- 
treten sein könnten. Die einzige Möglichleit wäre, 
daß die Gesetzgebende Versammlung der Kolonie in 
Zukunft ihre Zuständigkeit auf die Führung und Kon- 
trolle der Gesetzgebung der Kolonic beschränkte. 
Es sei mir gestattet, hier der gewaltigen Aus- 
dehnung Nigeriens zu gedenken. Es umfaßt mehr als 
330 000 Onadratmeilen — mehr als das Fünffache 
der Größe Englands und Schottlands oder ein Drittel 
der Größe Britisch-Indiens. Die europäische Be- 
völlerung ist über das ganze Land verstreut. Das 
größte Gemeinwesen derselben ist wohl auf den Minen- 
feldern der Bauchi-Provinz, das nächstgrößte in 
Fagos. 1000 Meilen davon entfernt. Es gibt andere 
weit voneinander entfernte Zentren in Calabar und 
anderen Küstenstädten, in Zungern und Kano, 
während die Niger Company, die das größte Kapitat 
als Einzelfirma besitzt, ihre Hauptverwaltung in 
Burutu hat. 
Es n daher andere Mittel als eine einzige 
Gesetzgebende Versammlung gesucht werden, um auf 
der einen Seite nicht nur der örtlichen öffentlichen 
Meinung, sondern der Meinung der leitenden Handels- 
und Minenfirmen sowie anderer an diesem Lande 
interessierter Institute Gelegenheit zu geben, sich zu 
äußern, auf der anderen Seite, um die erfahrensten 
und geschicktesten Beamten über Gesetzesvorschläge und 
wichtige Angelegenheiten als Berater heranziehen zu 
können. Um dies zu erreichen, hat der Staatssekretär 
gut geheißen, daß erstens ein ausführender Rat (Erc- 
cutive Council) für Nigerien, welcher aus den älteren 
Beamten der ganzen Verwaltung besteht, und zweitens 
ein beratender und begutachtender Rat, Nigerian Council 
genaunt, errichtet wird, sowie drittens. daß alle vorge- 
schlagenen Verordnungen zwei Monate vor ihrem Erlaß 
lzu der (iazetie veröffentlicht werden, damit eine freie 
Meinungsäußerung einsetzen kann, bevor ein Gesetz er- 
lassen wird. Die amtlichen Mitglieder des alten Rates 
sind von Sr. Majestät für den neuen Rat wieder ernannt 
worden mit Ausnahme des Herrn Miller und 
Dr. Johnson welche ihr Amt niedergelegt haben und 
deren Platz noch nicht wieder ausgefüllt ist. Als Mit- 
glieder des ausführenden Nats sind in dem Ernennungs- 
patent genannt: die Lientenant-Governors der Süd- 
und Nordprovinzen, der Administrator der Kolonie, der 
Generalanwalt, der Direktor der Eisenbahnen und 
auten, der Truppenkommandant, der Direktor des 
Wedizinalwesens, er Schatzmeister, der Marinedirektor 
und der Zolldire 
Zu den Lehtor Mitgliedern des Nigerian Council 
werden gehören die Mitglieder des ausführenden Rats 
  
  
und alle Residenten erster Klasse oder Commissioners, 
der Zentralsekretär, die Sekretäre der Nord= und Süd- 
provinzen und der Sekretär für die politischen Ange- 
legenheiten. Zu den nichtamtlichen Mitgliedern werden 
zählen ein Mitglied der Handelskammer in Lagos 
und einer etwa in Calabar zu gründenden Handels- 
kammer, ein Mitglied der Minenkammer — alle diese. 
soweit sie in Nigerien wohnen und von ihren betreffen- 
den Körperschaften ernannt sind — zusammen mit 
vier anderen vom Generalgonverneur ernannten Euro= 
päern und sechs Eingeborenen; die ersteren zur Ver- 
tretung des Handels, der Schiffahrt, der Minen und 
der Banken, die letzteren zur Vertretung der einge- 
borenen Bevölkerung, beide sowohl für das Küsten- 
gebiet als auch für das Innere. Die amtliche Mit- 
Kliedschaft der Gesevnebenden Verfammiung der „Tolon 
ist durch das Ernennungspatent etwas geändert, damit 
die Beonten, welche sich besonders mit der Kolonie 
zu beschäftigen haben, an ihren Beratungen teilnehmen 
können. Vorläufig wird zu diesen amtlichen Mit- 
gliedern gehören der Administrator, der Rechtsberater, 
der Munizipalingenieur, der älteste Beamte des Muni- 
zivalgesundheitswesens, der Landkommissar, der Assistent 
des Schatzmeisters, der Hafenmeister und der Beamte 
für Handelsnachrichten. Der Vorsitz über alle drei 
Räte wird vom Generalgouverneur geführt. 
Wie bekannt, war Süd-Nigerien in drei unter je 
einem Provincinl-Commissioner stehende Provinz en — 
Ost-, Zentral= und Westprovinz — geteilt. du rtnft 
wird es neun südliche Provinzen, jede der ten Pro- 
vingen in drei geteilt, geben. Jede Provinz aate einem 
Commissioner oder Residenten, mit einem entsprechen- 
den Stab zur Seite, unterstehen. Die Departements- 
beamten werden unmittelbar dem Leiter ihres eigenen 
Departements unterstellt. 
Ich komme nun zur Rechtspflege, wegen der 
es meiner Meinung nach einige Mißverständnisse ge- 
geben hat. Sowohl von meinem Vorgänger als auch 
von dem Oberrichter war erkannt worden, daß die 
Ausdehnung der Rechtsprechung des höchsten Gerichts- 
hofes auf das Innere des Landes nicht ratsam war, 
und bevor ich nach Nigerien kam, hatte man Schritte 
unternommen seine örtliche Zuständigkeit zu beschränken. 
Pläue zur Schaffung von gesonderten Gerichtshöfen 
für die inneren Landesgebiete wurden beraten. Diese 
Pläne sind jetzt reif geworden. Es ist klar, daß es 
nur einen Oberrichter für den höchsten Gerichtshof 
Nigeriens geben kan. 
Die Beschränkung der territorialen Gerichtsbarkeit 
des höchsten Gerichtshofes und die Schaffung provin- 
zieller Gerichtshöfe macht einige Anderungen des be- 
stehenden Rechts notwendig. Die von Herrn Edwin 
Speed verfaßten Entwürfe der neuen Verordnungen, 
welche mit geringen und unwichtigen Abänderungen 
werden eingebracht werden, bringen dies zur Aus- 
führung. Sie werden für den Augenblick einige Ver- 
minderung der Macht der Eingeborenengerichte im 
Gefolge haben, ich wünsche aber zuversichtlich, diese 
Gerichtshöfe in ihrer Verwendbarkeit fortschreiten und 
ihren guten Ruf aufrechterhalten zu sehen unter reinen 
eingeborenen Richtern, welche geleitet und überwacht 
werden von den Commissioners der Provinzen. 
Die Form der Geschworenengerichte und die Art 
der Geschäftsführung des höchsten Gerichtshofes stimmen 
mit Vorschlägen des Oberrichters überein. In Zukunft 
wird es vier Monate Gerichtsferien wäbrend der 
Regenzeit geben. Für den Rest des 
Gerichtshof in voller Besetzung mit cden Oberrichter 
und vier Richtern seine Sitzungen abhalten. Die 
Macht der Provinzialgerichtshöfe wird eng begrenzt 
sein. Kein Urteilsspruch über mehr als 6 Monate 
  
 
	        
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