Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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dd manchen Küstenstrichen ist sogar ein starker 
ückgang der Bevölkerung festzustellen. 
Ab Der Grund liegt einerseits an den vielen 
orten, die nach Angabe der Eingeborenen teils 
on selbst erfolgen, teils künstlich hervorgerufen 
werden. Man kann wohl annehmen, daß die 
ersten die selteneren sind. Die spontanen Aborte 
&a meist die Folge von Syphilis, wie ja über- 
daupt die Lues im Geschlechtsleben der Farbigen 
*r große Rolle spielt. Am schlimmsten hat sich 
die Syphilis im Bukoba-Bezirk eingenistet. Hier 
und einzelne Stämme besonders stark verseucht. 
du manchen Gegenden fanden sich bis 50 v. H. 
er Landesbewohner mit Syphilis infiziert. In 
ähnlicher Weise verbreitet ist die Krankheit ferner 
im Udjidji-Bezirk und in Massoko. 
Zweifelsohne wird aber viel häufiger der 
Abort von den Eingeborenen künstlich herbei- 
geführt, wenn auch begreiflicherweise die Aus- 
sührung und was damit zusammenhängt nach 
Möglichkeit geheimgehalten wird. 
An erster Stelle stehen hier fraglos die Askari- 
und Wasuaheli-Weiber. 
Kinder bedeuten zwar einen gewissen Besitz, 
besonders Mädchen. Für diese wird nach Landes- 
stte späterhin dem Vater ein oft recht hohes 
beiratsgut gezahlt. 
di An der Küste und auf größeren Plätzen ist 
le Ernährung der Kinder aber heute schon ver- 
ältnismäßig teuer, so daß soziale Bedenken den 
unsch nach Nachkommenschaft überwiegen. In 
noch höherem Grade wirken die Scheu vor den 
eschwerden der letzten Monate vor der Geburt 
und der Geburt selbst mit. Hierzu kommt, daß 
pel vielen Stämmen den Frauen in der Schwanger- 
schaftsperiode und während des Stillens — oft 
r zur Dauer mehrerer Jahre — der Geschlechts- 
berkehr verboten ist. Das Stillgeschäft dauert 
ei manchen Stämmen (z. B. bei den Wagogo) 
rei, auch vier und sogar fünf Jahre. 
gKi Wieviel von den als totgeboren angeführten 
ländern unter die Fehl= und Frühgeburten fallen, 
abt sich nicht feststellen. Die Frauen machen beim 
efragen durch den Europäer meist wenig Unter- 
schied zwischen Abort, Früh= und Totgeburt. 
wias. ferner die Ursache des Absterbens der 
wrrklich totgeborenen, ausgetragenen Kinder ge- 
oulen, ob es sich um faultote Kinder gehandelt, 
sie erst während oder unmittelbar nach der 
Düburt gestorben sind, ist oft nicht zu ergründen. 
s#6 Kind war bei der Geburt tot — mehr wissen 
an aicht anzugeben oder vielmehr wollen sie nicht 
mcche en, und auch dieses Zugeständnis erlangt 
8 oft erst, wenn intelligentere Farbige es den 
tu auf den Kopf zusagen, daß sie eine oder 
tellgkere „Totgeburten“ durchgemacht haben. In- 
igentere Frauen, die sich überzeugt haben, 
  
daß die Fragen des Europäers für sie keine 
Nebenabsichten enthalten und ihnen darin keine 
Fallen gestellt werden, geben oft genau alle Daten 
des ärztlichen Schwangerschaftskalenders an. Sie 
wissen mit Bestimmtheit, wann sie konzipiert und 
in welchem Monat sie die Frucht verloren haben. 
Der zweite Grund für den geringen Nach- 
wuchs liegt in der großen Säuglings= und 
Kindersterblichkeit. Die Zahlen der folgenden 
Statistik geben zu ernsten Besorgnissen für die 
Zukunft unserer schwargen Bevölkerung Anlaß. 
Eine Hauptschuld trägt zweifellos die verkehrte 
Ernährungsweise der Säuglinge. Diese beruht 
teils auf Unverstand der Mütter, teils auf den 
abergläubischen Vorstellungen der Leute. Gegen 
die althergebrachten und tief wurzelnden Ge- 
bräuche anzukämpfen, ist außerordentlich schwer. 
Dem Säugling werden schon im zartesten Alter 
mit der Nahrung wahre Reinkulturen von Mikro- 
organismen, unter denen sich sicher zahlreiche 
pathogene befinden, zugeführt, so daß es fast als 
ein Wunder anzusehen ist, daß der zarte, junge 
Organismus überhaupt zu widerstehen vermag. 
Die Hauptursache der Säuglingssterblichkeit 
innerhalb des gesamten Schutzgebiets sind Darm- 
erkrankungen. Die zweithäufigste ist die Malaria. 
Insbesondere verdienen folgende Angaben 
einzelner Sanitätsdienststellen ihrer Wichtigkeit 
halber erwähnt zu werden: 
Am auffallendsten ist der große Mangel an 
Nachwuchs im Mittelbezirk Udjidjis. Hier kann 
man fast schon von einem gänzlichen Fehlen der 
Nachkommenschaft sprechen. Die kleinen Ort- 
schaften mit durchschnittlich 10 Männern und 
20—25 Frauen beherbergen selten mehr als 
2—3 Kinder. Die Gründe für diese äußerst be- 
denklichen Zustände sind verschiedener Art. Die 
Hauptschuld liegt nach Ansicht des dortigen 
Stationsarztes an der Vielweiberei. Gewöhn-= 
liche Leute haben bis zu sechs Frauen, einzelne 
Sultane mehr als zwanzig. Die Folge hiervon 
ist eine Art Prostitution. Die unbefriedigten 
Frauen gehen von Hand zu Hand und tragen 
dazu bei, daß eine Reihe von Männern unver- 
heiratet bleibt. Außerdem wird hierdurch eine weite 
Verbreitung der Geschlechtskrankheiten bedingt. 
Im Bezirk Bukoba kommt bei Askaris 
und Wasuahelis auf zwei Ehen kaum je ein Kind. 
Bei der Wahaia-Ortsbevölkerung trifft pro Ehe 
kaum ein Kind. Dann kommt Ussuwi, Ihan- 
giro und Karagwe mit 1,5 Kindern pro Ehe. 
Verhältnismäßig gut stehen die Wasiba da mit 
beinahe zwei Kindern pro Ehe. Der Hauptgrund 
der großen Säuglings= und Kindersterblichkeit in 
diesem Bezirk ist die Lues. Die meisten Ein- 
geborenen haben eine staunenswerte Kenntnis von
	        
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