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Liter atun-Bericht.
Schlu unk, Alartin, Missionsinspektor in Hamburg:
Dus Schulwesen in den deutschen Schutzgebieten.
Hamburg. L. Friedrichsen, 1914, 150 S. Preis 3 44.
Die (irundlage der vorstehenden Arbeit bildct
eine Umfrage des Hamburgischen Kolonialinstituts
über den Stand unseres Eingeborenen-Schulwesens
#richrag 1. Juni 1911), deren Ergebnis, ebenfalls von
#. Schlunk bearbeitet, als Band XVIII der Abhand-
ungen des Instituts erschienen ist (Pr. 12 4).
Inm ersten Kapitcl seiner anschaulichen und über-
Sichtlichen Darstellung behandelt der Verfasser Ge-
W-hichte und Bedeutung der deutsch-kolonialen Schulen.
Er hobt dabei hervor, wie schon durch die Tatsache,
daß in einer Kolonie Regierungs- und Missionsschulen
nebeneinnnder bestchen, ein vorwärtstreibendes Element
ür dlic Alissionsschulen getschen ist. Dic ausgezeichnete
eirung der Regierungsschulen durch tüchtige päda-
Gogisch durehgebildete Lehrer wirkte vorbildlich und
#nspornend auf die un Zuhl ja weit überwicgenden
IAlissionsschulen.
lm zweiten Kapitel machen wir einen Rundgang
durch die Schulen unserer Kolonien. Die Beant-
Vortung von 2258 Fragebogen ergab für den 1. Juni
1911 einen Bestand von 2710 Schulen, 781 weißen
Lhrträften. 3411 farbigen Lehrkräften und 149528
Schülern. Die Erhebungen anlüßlich der JFationul-
Spende zum Regierungsjubilüum des Kniscrs haben
ergchren, daßz dicsc Zahlen heute schon überholt sind.
Veie Znhl der Schulen betrügt zur Zeit rund 3200, die
der. Schüler fast 170 000. Von den rund 150 000
Schülern des Jahres 1911 entlielen 83 000 auf die
rangelische Mission, 59 000 auf die katholische,
auf die Regierung. Rund 142 000 Schüler be-
huchten die Elementaschulen, 6150 die gehobenen
Sehulen, fast 1500 die Lehranstalten für praktische
Arbeit.
Ias dritte Kapitcl behandelt den Schulbetrieb.
#s vierte den Schulerfolg. In letzterer Hinsicht er-
Uibt die Beantwortung der Fragebogen ein überwicgend.
Fünstiges Urteil, auch binsichtlich der sittlichen
Fü#rllerung der Eingeborcnen. Allerdings stellt sich
i den Landschulen als eine unerfreuliche Begleit-
c#cheinung der neuen Zeit eine Abwanderung
8 Lande in die Stadt ein. Es ist nur natür-
ich. dalz die Kultur. neue Berufe uncl Erwerhs-
wöꝶlichkeiten schaffend, diejenigen anlockt, welche
lh Kenntnisse erworben huaben. Bei dem starken
dart für die gebildeten Berufe ist nach der Frage-
» Kett-lipnsitII-okttsiigeinBildungsprolctnriatzurzeit
lern nicht vorhanden, die Gefahr liegt aber vor.
diler erwächst der Schule eine neue grote Aufgabec,
de Arbeitserzichung, der ein besonderes Kapitcl,
As secchste, gewidmet ist.
n Nach den Fragebogen wurden am 1. Juni 1911
ur 1166 Schüler und Schülcrinnen, ulso 1 v. H. der
usanngzabl, in Lehranstalten für Praktische Arbeit
enpkerrichtet., Genossen also eine eigentliche Arbeits-
dwrichuntg und unmittelbarc Berufsvorbildung. Von
lüren I#ehranstalten waren 11 Haushaltungsschulen
u#n Rädehen, 37 Handwerkerschulen und nur 5 rein
beii wirtschaftliche Schulen. Vicle andere Schulen
ar Suzen zwar Schulfarmen, bezwecken aber vorwicgend
nellektuelle Bildung.
lie Von einer nennenswerten (iegenwirkung gegen
Landflucht kann also nicht die Bede scin. Ver-
S#ber betrachtet das mit Recht als einen Fehler und
lelht unter Hinwois auf die Ausführungen des Abts
Norbert Weber auf dem Kolonialkongreß 1910 und
auf Booker Washingtons Buch „Handarbeit“ (Berlin
1913 D. Reimer) die Forderung auf, durch syste-
matische und reichliche Einordnung prak-
tischen Unterrichts zu verhüten, daß durch
die Schulen das Vorurtecil genährt wird, als
bestehe alles Heil in intellektueller Bildung.
Sollte es nicht möglich sein, so fragt er, drei Tage
der Woche mit landwirtschaftlicher Arbeit auszufüllen?
Nicht auf Vesuchsfeldern, sondern mit bekannten Ein-
geborenenkulturen, wodurch gleichzcitig das schwicrige
Droblem der Aufbringung der Nittel für Schulunter-
haltung und Lehrergehalt gelöst würde.
ie nicht minder wichtige Sprachenfrage wird
im fünften Kapitc behandelt. Der Verfasser stellt
hier den Satz auf: „Die Schulsprache der Dorfschule
ist die Multersprnche. Auf der gehobenen Schule tritt,
dancben als Fremdsprache das Deutsche, das uber
nicht nach dem Schemn toter Sprachen in grammati-
scher Folge zu lehren ist, sondern als lebende Sprache
durch stetes Sprechen.“
Dieser Standpunkt wird in sciner Allgemeinheit
keineswegs überaht getcilt werden. Wo starke Zer-
splitterung der Eingeborenensprachen oder andere
jründe es angezeigt erscheinen lassen. wird viel-
mehr dus Deutsche von Anfang an oder doch
in den höheren Klassen die Unterrichts-
sprache zu bilden haben, wic es schon jetzt viclfach,
besonders in den Regicrungsschulen, der Fall ist.
Jähercs hicrüber ergeben die in der „Koloniulen
Rundschau“ erschienenen Aufsütze über die Ein-
geborenen-Schulen in den deutschen Kolonien Afrikas
und der Südsce (bes. Hest 1 vom 1. Januar 1913).
In den beiden letzten Kupiteln erörtert der Ver-
fasser die Stellung der Aissionsschulen im Organismus
der Schutzgebiete und die Grundzüge einer gesunden
Schulpolitik. Er berührt dabei eine Reihe von grund-
sätzlichen Fragen, wie die der Schulaufsicht, der Re-
gierungsbeihilfen und ihrer, Verteilung, der religiösen
Unterweisung und ihrer Uberwachung, des Schul-
zwanges, der Ferienordnung, der Schulgelderhebung
und der Heranzichung der Eingeborenen zu
Schullasten, der Vereinheitlichung der Lehrerausbildung
und der Lehrmittel, wobei er darauf hinweist, daß die
große Kraft des englischen kolonialen Schul-
s Fstems wesentlich auf dem System sork-
fültig ausgewählter, systematisch ausge-
arbeiteter, ein heitlich über eine ganze Kolonie
verbreiteter Textbücher beruhe. Es sehlt der
Raum, an dicser Stelle das Für und Wider aller dicser
Fragen zu crörtern. Man wird nicht überall be-
dingungslos dem Verfasser zustimmen. Seinen Wunsch
aber. daß die Schularbeit mehr als bisher in den
dedankenkreis der Kolonialpolitiker und Kolonial-
freunde treten möge. wird man nur teilen können.
Die in jüngster Zeit reichlicher erwachsene Literatur,
insbesonderc auch das vorliegende verdienstrolle Werk,
werden den Boden dafür ebnen. g.
Handbuel der Tropenkrankheiten, herausgegeben von
Prof. Dr. Carl Mense, Kasscl. Zweite Auflage.
Erster Band, 295 S., mit 200 Abbildungen im Tekxt,
10 schwarzen und 2 farbigen Lafeln. Preis geh.
16,20 x. — Zveiter Band, 747 S., mit 126 Ab-
bildungen im Tezxt, 14 schwarzen und 6 larbigen
Tafeln. Preis geh. 40 EC. — H##ipzig 1913.14.
Verlag von Johnnn Ambrosius Barth.