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hatte, nur nachts geschehen. Hauptmann v. Putt-
kamer hatte, etwa eine Stunde von seinem Lager
Bagudu entfernt, eine kleine Übergangsstelle er-
kundet, die auf dem linken Ufer nicht bewacht
war. Hierhin galt es die Kanus vom Lager
Bachmanns zu bringen. In der Nacht vom 17.
zum 18. Dezember fuhr Leutnant Bachmann,
kurz nach Aufgang des Mondes, gegen 12 Uhr,
mit 25 Soldaten und 12 Ruderern in den vier
Kanus den Kadöi abwärts bis zur Landungs-
stelle. v. Puttkamer selber marschierte um 3 Uhr
nachts mit Feldwebel Koblich, Sanitätsfeldwebel
Bücherl, dem Sergeanten Zota und 60 Sol-
daten mit zwei Maschinengewehren zu der er-
kundeten Überfahrtsstelle. Leutnant Bachmann
traf gegen 5 Uhr vormittags, vom Feinde un-
gesehen, an der ÜUbergangsstelle ein. Seine Fahrt
bedeutete eine außerordentliche Leistung. Er hatte
mit den kleinen Kanus, die durch die Soldaten
erheblich belastet waren, ohne ortskundige Ruderer
ungefähr zehn Stromschnellen zu passieren, deren
jede die Boote in die Gefahr des Kenterns brachte.
Dazu setzten infolge der Unkenntnis der Fahr-
straße die Kanus in dem reißenden Wasser und
bei dem schwachen Mondenschein oft auf Felsen
auf. Laute Rufe mußten vermieden werden, um
die Posten der Feinde auf die Fahrt nicht auf-
merksam zu machen. llberdies setzte empfindliche
Kälte und feuchter Nebel den Leuten sehr zu.
Sie waren, als die Kanus bei der Überfahrts-
stelle ankamen, völlig erstarrt und die Kanus zu
zwei Dritteln voll Wasser geschlagen.
Um 7 Uhr war der Ubergang vollzogen. Durch
hohes Gras wurde der Marsch gegen Nguku an-
getreten. Der dichte Nebel, der an diesem Morgen
lagerte, ermöglichte ein unbemerktes Herangehen
bis dicht vor die Höhen von Nguku. Zur Ver-
fügung standen 77 Soldaten, darunter 15 Polizei=
soldaten.
Kurz vor 10 Uhr hatte der Feind den An-
marsch unserer Truppe bemerkt. Man konnte
überall Trupps von 20 bis 30 Mann sich nach
verschiedenen Punkten begeben sehen, woraus man
erkennen konnte, daß die Verteidigung wohl vor-
bereitet und planmäßig war. Hauptmann v. Putt-
kamer ging sofort mit einer starken Schützenlinie
vor der Front und mit dem Rest dicht aufge-
schlossen gegen die Höhe an, den Rücken durch
eine stärkere Nachspitze gedeckt. Der Aufstieg war
außerordentlich schwierig, da der Hang sehr steil,
zum Teil bewaldet und durch Schluchten zer-
rissen war. Der Gegner überschüttete die Stürmen-
den mit einem Hagel von Gewehrschüssen und
Pfeilen, doch ging glücklicherweise alles über die
Stürmenden fort, da der Gegner so steil bergab
nicht treffen konnte.
Die Feinde, die sich seitwärts vom Wege an-
gesetzt hatten, wurden von der Schützenlinie auf-
gerollt und hatten hierbei empfindliche Verluste,
da offenbar die Eingeborenen das ausgeschwärmte
Vorgehen durch den Busch von den Franzosen
her nicht kannten. Nach Erstürmung der ersten
Höhe, auf der wohl an 200 meist neuer Busch-
hütten standen, ließ der Widerstand des Gegners
nach. Man konnte sehen, daß die überraschung
geglückt war. Alles Hausgerät war noch vor-
handen, man sah in der Ferne die Weiber
flüchten. Von dieser Höhe aus konnte man das
eigentliche Hauptdorf Ngukus dicht mit Menschen
besetzt auf einer anderen niederen Höhe sehen.
v. Puttkamer schwenkte nun gegen dieses Dorf
ein und fand am Hange, ehe der Abstieg wieder
begann, eine günstige Stellung für die Maschinen=
gewehre auf 1200 m. Als diese das Feuer er-
öffneten, war die Höhe rasch von den Menschen
geräumt, die unter Mitnahme der Toten flüchteten.
Die Abteilung ging deshalb weiter vor, auf dem-
selben Wege, auf dem seinerzeit Oberlentnant
v. Raven gegen das Hauptdorf vorgegangen
war. An derselben Stelle, wo v. Raven seiner-
zeit gefallen war, erhielt die Abteilung wieder
starkes Feuer. Hier hatte Nguku selbst sich seit-
wärts und vorwärts des Weges festgesetzt. Der
Widerstand war sehr zäh und hartnäckig und nur
durch sprungweises Vorgehen mit Salvenfeuer
gelang es, auch die letzte Höhe zu nehmen.
Diese wurde sofort nach allen Seiten gesichert
und zum Lager hergerichtet. Der Gegner ließ
26 Tote zurück, dürfte aber weit größere Ver-
luste erlitten haben. Auf deutscher Seite waren
vier Soldaten leicht verwundet.
Bis zum Einbruch der Dunkelheit war nun
Ruhe, dann aber kamen die Eingeborenen unter
dem Schutz der Dunkelheit heran und schossen in
das Lager, das vom Feinde fortwährend be-
unruhigt wurde. Einmal wurde es sogar von
zwei Seiten regelrecht angelaufen. Am folgenden
Morgen wurde dann die Umgebung des Lagers
durch farbige Patrouillen vom Feinde gesäubert
und im Laufe des Tages festgestellt, daß Nguku
abgezogen war.
Damit war der Hauptschlag geführt. Nguku,
die Seele des Aufstandes, dem die Eingeborenen
beinahe übermenschliche Kräfte zutrauten, hatte
seinen ersten Kampf verloren. Sein großes An-
sehen, das ihm früher ungeachtet des nahen
französischen Postens erlaubt hatte, sogar Todes-
urteile auszusprechen und zu vollziehen, war da-
mit erschüttert.
Doch gab es in den nächsten Tagen zwischen
den ausgesandten farbigen Patrouillen und den
Nguku-Leuten noch mehrfache blutige Zusammen-
stöße. Während Nguku zunächst nach Nordosten
zu den ihm ergebenen Häuptlingen Dario,