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kannt gebliebenen Kwischenstationen. durch Arbeiter=
anwerbung vermittelt. nach Jap gekommen. In Naurn
ist sie gleichfalls früher nicht beimisch gewesen; zu
ihrem Import war zwar dort bei der aus allen mög-
lichen Gegenden für den n.“Y: zusammenge-
zogenen Arbeiterschaft vielfach Gelegenheit gegeben.
Also wieder ist es keine autochthone Krankheit der Insel,
sondern eine Seuche, die auf dem Seewege zugeführt
wurde. Daß sie früher auf Fap nicht heimisch war,
geht aus der großen Raschheit und Heftigkeit ihrer
Verbreitung hervor, wie sie nur auf jungfräulichem
Boden möglich ist. Überdies führten alle Gelähmten
der Insel ihren Zustand auf diese Epidemie zurück.
Keiner war zu finden, der sie sich in früheren Jahren
erworben gehabt hätte. Eine annähernd genaue Zahl
er damaligen Todesfälle war nicht mehr zu ermitteln,
daß sie verhältnismäßig boch war, ist nach Analogie
der Verluste auf Nauru (5½ v. H. der Erkrankten)
nicht zu bezweifeln. Bei allen durch Epidemien ver-
ursachten Verlusten müssen wir immer dic relative
Kleinheit unseres Beobachtungsgebictes bedenken. Ab-
solut betrachtet, erscheinen sie auf den ersten Blick nicht
hoch, im Verhältnis zur Bewohnerzahl sind sie enorm.
übersetzen wir zum Vergleich die milde verlaufene
Typhusepidemie von 1913 mit 856 Erkrankungs= und
nur 31 Todesfällen aus dem Karolinischen ins Deutsche,
ĩo würde das heißen, daß beispielsweise ein Ort von
der Größe Hamburgs in einem Jahr rund 140.000
Typhuserkrankungen mit über 5000 Sterbefällen gehabt
hätte. Und Seuchen von dieser Stärke sind unserem
Inselvolke vorläufig in Abständen von zwei bis drei
Jahren beschieden gewesen! Gehen wir von der Poly-
neuritis-Epidemie drei Jahre zurück, so haben wir
Ende 1907 epidemische Dysenterie auf Jap, an
welche die Leute noch heute mit Schrecken denken.
200 Menschen sind ihr m er gefallen, also ein
Verlust von über 3 Gesamtbevölkerung. Auch
hier deutet die Schwere der, Epidemie auf eine Neu-
einschleppung oder Wiedereinschleppung. Mitten
zwischen die beiden eben erwähnten Seuchen hinein
fällt 1908 noch eine weitere von unbekannter Art, die
in einem Monat an 100 Menschenleben sorderte, in
den Berichten kurz als Misillepik be zeichnet.
habe die Überzeugung gewonnen, daß mit diesem p
wiederkehrenden Worte keine bestimmte Krankheit be-
nannt wird, sondern jede in großer Verbreitung auf-
tretende Krankheit, also ganz entsprechend unserm
Worte „Seuche“. Dieser Begriff Misillepik haftet tief
im Volke und ist bis in seinen religiösen Vorstellungs-
kreis eingedrungen. Vor allem aber hat sich unter
den Leuten der Glaube festgesetzt, daß das Auftreten
einer neuen Misillepik in zeitlichem und ursächlichem
Zusammenhange mit dem Anlanfen von Dampfern
sieht. Mindestens für eine große Zahl von Epidemien
werden wir diese Ansicht als vollkommen berechtigt
anerkennen müssen, und je schärfer wir darauf achten,
um so häufiger werden wir im Schifssvertehe die Quelle
der Inselseuchen erkennen. Oft wurde mir auf meine
Frage nach der Todesursache von Eltern, Geschwistern
oder Kindern die Antwort gegeben: er starb an
Misillepik. Aber wenn ich zurückfragte, an welcher
Misillepik, so erfolgte immer die präzisere Angabe: an
Dysenterie, Lungenentzündung usw. Auch der Typhus
war für sie eine neue Mi sillep Bezeichnenderweise
nannten die Leute sogar eine gerade jetzt auf der
Jield ur herrschende Krankheit der Palmen ebenfalls
Misi
U während der letzten sieben Jahre durch vier
ernste Epidemien, so ist auch während der weiter
Brückliegenden Zeit das Volk eriodisch schwer von
Seuchen heimgesucht worden. In den amtlichen Me-
dizinalberichten ist ihrer gedacht. Gerade während
meines Aufeuthaltes auf Jav wurde der Typhus von
einer neuen Infektionskrankheit, der Parotitis epi-
demiea abgelöst, die seit einigen Jahren in der Süd-
see umgehend, nun auch hier ihren Einzug gehalten
hatte. Ich habe nur junge Leute, im ganzen 22,
daran erkranken fehen, aber ihre Ansbreitung nahm
scheinbar noch zu. Mehrmals trat die für Mumps
charakteristische Komplikation der Hodenentzündung auf.
Auffällig war, Eingeborenen selbst auf die
Infektion mit dieser harmlosen Krankheit viel stürmi-
scher reagierten als vergleichsweise der Europäer.
Mehrtägiges hohes Fieber, heftige Rückenschmerzen
und starke Prostation waren die Regel. Diese Er-
scheinung der verstärkten Reaktion sowie eines raschen
und hochgradigen Kräfteverfalls wiederholt sich bei den
meisten Infektionskrankheiten der Japleute, wodurch
Krankheiten, die wir als gutartig anzusehen gewöhnt
sind, wie etwa die Influenza"), bei ihnen bösartigen
Charakter annehmen können.
Leider treten bei einem Naturvolke seuchenhafte
Krankheiten uur selten nach einmaligem Erscheinen
wieder vom Schauplatze ab. Die meisten von ihnen
bleiben in Einzelfällen auf dem neu eroberten Gebiet
zurück und vermögen bei günstiger Gelegenheit wieder-
um zur Epidemie anzuschwellen. So haben Typhus
und Dysenteric als solche endemisch gewordene Feinde
u gelten. Von letzterer ist sowohl Bazillen= wie
Amöbenruhr auf der Jusel zu finden, auch die Kom-
plikation des Leberabszesses kommt vor.
2. Die endemischen Volkskrankheiten.
Von ebenso schwerer Gefahr für das Volkswohl
wie die epidemischen Krankheiten sind die endemischen,
dauernd und schleichend an ihm zehrenden Leiden. Nach
Stärke der Verbreitung und Größe der Gefahr stehen
bier die drei: Ankylostomiasis, Frambösie und Tuber-
kulose weitaus im Vordergrunde.
ber die Ankylostomiasis ist im Kapitel über
den Typhus das Wichtigste schon erwähnt. Sie ist
iber die ganze Insel verbreitet und verursacht in ihren
ohen Graden das sattsam bekannte Krankheitsbild.
Interessant war, daß bei Stuhluntersuchungen 6N Buses
sich herausgestellt hatte, daß Askariden, diesonst mindestens
leicher Hänfigkeit wie Ankylostomen in den Tropen
ausgutreren pflegen, bei den Erwachsenen der Insel sehr
selten waren. Ich glaube, daß sich diese Erscheinung
aus dem starken Betelkauen der Leute erklärt, da ja
das Arecolin, einer der wirksamen Bestandteile der
Betelnuß, als wurmtreibendes Mittel wirkt und als
solches auch in unserer heimischen Pharmakopoe Auf-
nahme gefunden hat. Leider erstreckt sich diese Wirkun
nicht auch auf Ankylostomen. Auf den weiter Ssllich
gelegenen Karolinen, wo das Betelkauen nicht geübt
wird, ist nach den Berichten der dortigen Arzte die
allgemeine Askaridosis wieder vorhanden. Ferner war
mir auffällig, daß die Sitte des Erdessens, die sonst
gerade bei Ankylostomiasis so häufig angctroffen wird,
und die ich aus einem instinktiv befriedigten Bedürfnis
nach mangelnden Kalium= bzw. Kalksalzen erkläre, auf
ap vollkommen unbekannt ist. Es wäre ja denkbar,
daß eßbare Erdsorten dort fehlten, aber ein Vergleich
mit anderen, geologisch nicht erheblich verschiedenen
Inseln unseres mikronesischen Besitzes zeigt, daß dort
der Vrauch wieder vorhanden ist. Ich glaube auch
Gegen viele Meldungen „influenzaartiger Er-
krankungen" auf den Südseeinseln, namentlich von
nichtärztlicher Seite, bin ich sehr skeptisch in Anbetracht
ihrer großen Ahnlichkeit mit tropischem Typhus oder
Denguefieber.