Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

G 571 20 
tostspieligen kolonialhygienischen Forderung, hat man 
auch hier noch nicht begonnen. Wo kleine Wasserläufe 
vorhanden sind, spenden diese das Trink= und Ge- 
brauchswasser. Da sie durch die Anwohner und durch 
alles das, was sie von den Höhen an Verschmutzung 
mit sich führen, verunreinigt werden, können sie nicht 
als einwandfrei gelten. Meist versickert das von den 
Abhängen kommende Wasser in der Nähe der Küste 
unter Sand oder Schlamm und gelangt unterirdisch 
zum Meer. Durch Graben von Wasserlöchern, die 
ebenfalls jeder Vernnreinigung ausgesetzt sind, macht 
man sich dieses zugänglich. Als Kuriofum sei erwähnt, 
aß einer dieser unterirdischen Wasserabflüsse als Süß- 
wasserquelle im Meere selbst zutage tritt. Bei Ebbe 
findet sich an der bet treffenden Stelle eine kuichter- 
förmige Vertiefung des steinigen Bodens, die das Süß- 
wasser spendet. Selbst in der größten Trockenheit ver- 
siegt zwar diese Quelle nie. Wo tiefe Einschnitte in 
die Höhenzüge das zu Tal gehende Wasser kreuzen, 
quillt es in guter Beschaffenheit, aber nur selten reich- 
lich hervor. Nur eine solche Quelle ist von großer 
Ergiebigteit und hält das ganze Jahr hindurch stand; 
sie liegt etva 6 km von der Enuropäerkolonie entfernt 
und würde nach den Berechnungen, die ich mit Dr. 
Buse an Ort und Stelle machte, den gesamten Bedarf 
des ganzen Koloniebereiches decken. Mit kurzen Worten: 
ie jetzige Wasserversorgung der Insel ist schlecht, die 
Möglichkeit zum Brunnen= und selbst Wasserleitungs- 
bau ist gegeben. 
Neben den Nahrungsmitteln haben die Genuß= 
mittel, namentlich die nicht indifferenten, große Be- 
deutung für die Volksgesundheit. Vor dem bedenk- 
lichsten Genußmittel, dem europäischen Alkohol, sind 
die Karoliner wie alle Eingeborenen unseres Schutz- 
gebietes jetzt glücklicherweise bewahrt. Zwar ist der 
Verkauf von Alkohol an sie nicht völlig untersagt, aber 
er ist von Fall zu Fall von der Genehmigung des 
Vezirksamtes abhängig; und dieses macht nur aus- 
nahmsweise bei festlichen Gelegenheiten von seinem 
Rechte Gebrauch. Hoffentlich wird diese Gepflogenheit 
auch in Zukunft stets befolgt werden. Wenn wir aber 
glauben wollten, daß der Alkohol in der Entwicklung 
1es Japvolkes keine Rolle spielt, wie man es bis- 
weilen dargestellt findet, so würden wir uns einer 
Kroben Tänschung hingeben. Die Schonzeit vor dem 
Trunk ist erst während der verhältnismäßig kurzen 
beit deutscher Herrschaft voll in Kraft getreten. Vor- 
er hat es, zunächst noch ohne fremde Oberhoheit, mit 
einsetzendem Anschluß an den Weltverkehr, später be- 
sonders unter spanischer Flagge, eine geradezu fürch- 
terliche Schnapsflut über sich ergehen lassen müssen. 
Schnaps und Pulver, jene beiden europäischen Kultur= 
übel, die so lange und so oft als Zeichen kurzsichtiger 
kolonialer Unvernunft den Naturvölkern vom Weißen 
Hebracht wurden und anderwärts auch heute noch ge- 
racht werden, bildeten auf Jap bis vor 1½ Jahr- 
zehnt die Haupthandelswerte. Das Pulver hat kaum 
Kroßen oder nachhaltigen Schaden gestiftet, denn die 
Febden der Leute waren mehr pulver= als verlustreich; 
er der Schnaps hat sie am Mark gepackt. Wir sahen 
Wer wie der Wunsch, sich möglichst viel von dem be- 
gehrten Rauschmittel zu verschaffen, die ganze Volks- 
wirtschaft einseitig beeinflußte. Weitere Schäden 
kommen hinzu. Viele der älteren. jetzt. so nüchternen 
5 änner erzählten mir ganz offen, daß sie früher täg= 
ich betrunken gewesen seien; bei einigen blickte sogar 
ine leise Trauer darüber durch, daß diese Zeit vor- 
über ist. Alle Bande ihrer festgefügten alten Sitten 
bockerten sich damals, und der Anblick betrunken am 
Wege liegender Eingeborenen, selbst Weibern, ist keine 
Seltenheit gewesen. Der ganze Sinn der Leute war 
  
  
nunur auf Alkohol gerichtet. Die Bevölkerung ist also 
einige Jahrzehnte lang einer allgemeinen, schweren 
Schnapsverseuchung preisgegeben gewesen, die gar 
nicht ohne tiefe Wirkungen geblieben sein kann. Wenn 
wir uns nach den Gründen des Niederganges der 
jungen Generation umsehen, so müssen unsere Blicke 
zu allererst an jene Schnapsepoche fallen. Wir wissen 
ja, daß gerade die Schädigungen bes Alkohols vor 
allem an der achtonamenhhase in die Erscheinung 
treten. Die jetzige Generation büßt in mehr als einer 
Beziehung für den Schnaps ihrer Bäter und Groß- 
väter. Natürlich sind die Infektionskrankheiten nicht 
durch ihn ins Land gekommen, aber ihrer Ausbreitung 
wurde der Boden geebnet, denn sie trafen einen be- 
reits in der Keimanlage geschwächten Nachwuchs. Be- 
kannt ist der Zusammenhang, der zwischen Alkoholismus 
und Tuberkulose besteht, und es ist kaum nur ein Zu- 
fall, daß nach Angabe der Lente seit etwa 40 Jahren 
die Erkrankungen an Safrit immer häufiger geworden 
sind. Bekannt ist ferner, daß hochgradiger Alkoholis= 
mus die Zeugungsfähigkeit beeinflußt, bekannt ist, daß 
er auch schon in minder starken Graden als keimschä- 
rgensos Gift die Virerstandörrast der Kinder herab- 
setzt, daß Trinker körperlich und geistig schwache Nach- 
kommenschaft haben. Die verhältuismäßig hohe Zahl 
von Imbezillen bzw. Geisteskranken steht auf seinem 
Schuldkonto. Man könnte geneigt sein, viele Zeichen 
der Leschwächten Volkskraft der Karoliner als Folgen 
der Inzucht anzusehen, und man hat solche auch viel- 
ach vermutet. Ich Ulaube an sie höchstens in sehr be- 
schränktem Maße, wie ich bei Erwähnung der ver- 
heimlichten Adoption andentete. Keinesfalls ist es aber 
angängig, den ganzen Niedergang des Volkes als In- 
zuchtserscheinung hinstellen zu wollen. Dazu ist er 
viel zu plötzlich hereingebrochen und ist in viel zu all- 
gemeiner Verbreitung über die Gesamtheit eingetreten. 
Inzuchtsfolgen würden niemals innerhalb zweier Ge- 
nerationen ein Volk dezimieren können. Wir müssen 
uns nach Erschütterungen umsehen, die verhältnismäßig 
unvermittelt das gange Volk getroffen und ins Wanken 
ebracht haben. Dabei wird der Alkohol um so eher 
mitgewirkt haben, als er zeitlich mit einer Verschlech- 
terung der Volksernährung und Häufung neu einge- 
schleppter Krankheiten zusammengefallen ist. 
Der Alkohol ist nicht das einzige, jetzt überwun- 
dene Genußmittel der Insulaner. Betel und Tabak 
kommen hinzu. Wie bei allen Genußmitteln verhält 
sichs auch bei diesen so, daß der mäßige Gebrauch 
harmlos, der übermäßige schädlich ist. Die Schwierig- 
keit liegt darin, die praktisch brauchbare Grenze der 
Mänigkeit zu bestimmen. Soweit sie eingehalten wird. 
ist der Betel das Mittel, das als „initium amiciriac, 
otium in negotio und negotium in otio"“ die Wünsche 
des Japvolkes stillt. Aber er ist darüber hinaus für 
viele zur Leidenschaft geworden, worauf ich bereits 
in meinem Typhusbericht hinwies. Der Hygieniker 
vird die unmittelbaren und mittelbaren Wirkungen 
io, solchen allgemein verbreiteten Genußmittels ins 
Auge zu fassen haben. Der wirksame Bestandteil der 
Betelnuß ist das Arecolin. Eingehendere Untersuchun- 
gen über seinen übermäßigen Gebrauch sind mir nicht 
bekannt geworden. Neben seiner den Speichelfluß 
fördernder Wirkung, soll es dem Muscarin ähnlich die 
Herztätigkeit beeinflussen. Schon in mäßigen Mengen 
ührt es zu einem leichten, euphorischen Rauschzustand, 
er sich mit zunehmender Quantität immer mehr ver- 
tärkt. Man kann oft auf Jap Leute sehen, die eine 
Stunde und länger vor sich hingrübeln, mit dem 
Rücken an ihren Sitzstein gelehnt und nichts weiter 
beginnend als Betel kauen. Wenn ich die Leute um 
mich versammelte, sah ich kaum einen, der nicht seinen 
  
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.