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sie in dieser Pflicht, die, wie wir sahen, neuerdings
für sie schon erschwert ist durch die relative Zunahme
der unprodultiven Altersklassen. Nichts liegt für die
Frau näher, als dieser Behinderung sich diesh die Ab-
treibung zu entledigen. Weiter kommt die Scheu vor
der Beeinträchtigung der körperlichen Schönheit durch
das Wochenbett hinzu und der Wunsch, das ungebundene
Jugendleben möglichst spät gegen die pflichtenreiche
Ebe einzutauschen. Schließlich besteht bei den Jap-
frauen auch eine nicht ganz unbegründete Furcht vor
den Folgen der Eutbindung, die verhältnismäßig häufig
lebensgefährlichen Komplikationen zu führen scheint.
lle diese Gründe bedingen Kinderschen, die im Kampfe
mit der Kinderliebe nur gar zu oft den Sieg davon-
trägt. So erklärt sich die widerspruchsvolle Tatsache,
daß bei einem Volke, das sich nach Kindern sehnt und
sie mit größter Hingabe pflegt, die Fruchtabtreibung
in vollstem Schwange ist. Ihr direkter Anteil am
Ausfall der Kinderzahlen ist sicher sehr groß.
Wir haben im Laufe unserer bisherigen Betrach-
tungen mancherlei Einflüsse kennen gelernt, die eine
Herabminderung der Geburten verschulden. Aber es
muß noch irgendein weiterer Umstand in der Fort-
bflanzungshugiene des Volkes mitsprechen, der neben
ihrer geringen Zahl das auffällige Uberwiegen der
männlichen über die weiblichen bedingt. Viele Forscher
haben sich bemüht, eine brauchbare Hypothese für die
Abhängigkeit des menschlichen Geschlechtes von äußeren
Einflüssen aufzustellen. Man hat gesagt, daß ein großer
Altersunterschied der Eltern zu Knabengeburten dispo-
niert; man hat ihr Ansteigen nach Kriegen und bei
ungünstiger wirtschaftlicher Lage mit Unterernährung
breiter Volksschichten Oepbochtch u#sw. Aber eine all-
gemein anerkannte Theorie, welche die letzten brsachen
dieser sonderbaren Erscheinung enthüllte, haben w
nicht, und wir müssen uns den resignierten Worto
Darwins anschließen, der sich in seiner „Abstammung
des Menschen“ gleichfalls dieser Frage gewidmet hat:
„Ich erkenne jetzt, das ganze Problem sei so verwickelt,
daß es besser ist, die Lösung der Zukunft zu überlassen.“
Trotzdem wissen wir das eine sicher, daß alle im Nieder-
ang befindlichen Stämme diese Erscheinung des hohen
Anaheniberschusses dauernd, und daß andere Völker
zur Zeit einer schweren Krisis sie oft vorübergehend
zeigen. Auf Neusecland hat jahrzehntelang fast das
gleiche Verhältnis der Geburten von 130: 100 bestanden
wie auf Jap, ebenso auf den Sandwichinseln oder bei
den ausgestorbenen Tasmaniern; und viele unserer
Volkszählungen auf anderen Inseln von Deutsch-Neu-
guinca ergeben die gleiche Verteilung der Geschlechter.
Es ist nicht möglich, sie, wie Kopp') neuerdings für
Neu-Pommern will, aus einer Hröberen Sterblichkeit
des weiblichen Geschlechtes durch berlastun abzuleiten,
denn sie ist ja bereits bei der Geburt vorhanden, und
der Überschuß des männlichen Geschlechtes # auch bei
seinen Zahlen (Seite 731 l. c.) für die Kinder bedeutend
öher als für die Erwachsenen. was eher auf eine
höhere, ausgleichende Sterblichkeit des männlichen
Geschlechtes schließen läßt.
Kennen wir also auch die letzten Ursachen der
Hanzen, Erscheinung nicht, so halte ich so viel doch für
sicher, daß sie der Ausdruck einer Störung des normalen
Fortpflanzungsmodus des betreffenden Volkes ist, dem
bei längerem Bestande die Bedentung eines signum
mali ominis zukommt.
*) Kopp, Zur Frage des Bevölkerungsrückganges
in. Zeuspeemern. Archiv für Schiffs= u. Tropenhyg.
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VII. Abhilfe.
Die vorhergehenden Kapitel waren im legtzten
Grunde ein ununterbrochenes Argument für den Nieder-
gang unseres Insel volkes. Fassen wir alles noch ein-
mal kurz zusammen. Die Volkszahl kann zurückgehen
aus zwei in ihrem Wesen verschiedenen Gründen: der
Nachwuchs kann zu gering sein, als daß sie sich auf
ihrer Höhe erhält oder dieser ist an sich groß genng,.
aber die Sterblichkeit im Volke ist so groß, daß es
abnimmt. Im ersten Falle ist die dem Kolonial=
hogieniter gestellte Frage die, wie können wir die
Kinderzahl vermehren, im zweiten die, wie
können wir die Menschenzahl erhalten? Der
Leser wird bereits empfunden haben, daß der Rückgang
Japs nach beiden Typen vor sich geht. da wir sowohl
eine hohe Sterblichkeit der Erwachsenen wie eine un-
gemein niedrige Geburtenzahl haben. Die Gründe beider
haben wir kennen gelernt. Die Heimsuchungen durch
endemische und epidemische Krankheiten, zu einem großen
Teile exogenen Ursprungs, würden selbst bei normaler
Linderzaht verlustreich genug sein, um ein Anwachsen
der Bevölkerung hintanzuhalten. Wir sahen, wie die
insulare Lage und bestimmte Volkssitten ihre Aus-
breitung begünstigen, wie eine Krankheit die andere
in ihrem Verlaufe verschlimmert, wir sahen ferner, wie
die geringe Widerstandskraft gegen Infektionen außer
durch konstitutionelle Leiden durch den Mangel eiweiß-
reicher Nahrung erhöht wird, wie eine allgemeine
Bodenverarmung in Frage steht und wie die einstige
Schnapsdurchseuchun zur Erschütterung der Volks-
wirtschaft und Volkskraft beigetragen hat. Als Kom-
ponenten, die den zu geringen Nachwuchs verschulden,
ernten wir eine Reihe von Krankheiten mit nach-
olgender vorübergehender oder dauernder Kinder-
osigkeit kennen. Wir haben den ganz eigenartigen
Volksaufbau der Insel betrachtet und gesehen, wie das
Familienleben der Leute ins Wanken geraten ist, wie
hre eigenartige Sexnalmoral der venerischen Durch-
euchung Vorschub leistet und wie die in verschiedenen
irsachen wurzelnde Kinderschen zu viel geübter Frucht-
abtreibung führt.
Wie können wir Abhilfe schaffen? Besteht überhaupt
noch Aussicht, daß ein Volk in diesem Stadium einer
Krisis sich wieder erholt? Nun, ich glaube, wir brauchen
vor dem Gespenst einer unrettbaren Degeneration nicht
zu kapitulieren. Gerade bei den Karolinern berechtigen
verschiedene Umstände zur Hoffnung. Wir kennen zwar
Südseevölker, bei denen eine 'hleichartige Krisis in den
Untergang ausgeklungen ist, aber wir haben auch
andere, die sie überwunden und sich zu neuem Anstieg
aufgerafft haben. Wir dürfen annehmen, daß die
Schädlinge der Volksgesundheit erst seit verhältuis-
mäßig kurzer Zeit am Werke sind, und daß noch ge-
nügend unversehrte Einzelwesen für eine Neuzucht
vorhauden sind. Vor allem aber dürfen wir daraus
zuversicht schöpfen, daß sie selbst die drohenden
ð. fahren wenigstens einigermaßen erkannt haben und
daß sie gern wieder emporsteigen möchten. Sie wollen
wohl vorwärts, aber sie können nicht; wieder im
Gegensatz zu vielen Negervölkern, die wohl könnten.
aber nicht wollen. Wir werden sie deshalb zu eigener
Mitarbeit bringen können, unsere Maßnahmen werden
keinen Widerstand finden und werden sich auch leicht
auf ihren Erfolg kontrollieren lassen. Wenn wir jetzt
zu konkreten Vorschlägen für das Sanierungswerk
übergehen, so müssen diese entsprechend den uns bekannt
gewordenen Gefahren solche sein. die neues Unheil
vom Volke fernhalten und solche, die es von den ihm
schon im Genick si enden alten Feinden befreit; unser
Hodeeln hat prophylaktisch und therapeutisch zu sein-
1. Die wirksamste Waffe gegen die Einschleppung