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1. Der Gemeingebrauch enthält in den neueren Gesetzen fast überall ähnliche Vorschriften, deren
Unterschiede auf den besonderen klimatischen oder Bodenverhältnissen der einzelnen Geltungsgebiete und den
amit meist zusammenhängenden besonderen Bedürfnissen der Allgemeinheit beruhen. Die in dem Entwurf §9 6
ausgenommenen Befugnisse des Gemeingebrauchs gehen insofern weiter als in Südwestafrika, als sie die Wasser-
entnahme zum Viehtränken nicht nur auf der Reise, sondern allgemein gestatten, sie sind begrenzter als dort,
da sie das Recht zum Baden, Waschen, Gehen, Fahren, Reiten und zur Brennmholzentnahme nicht feststellen.
Dem Gouverneur wird aber die Befugnis eingeräumt, den Gemeingebrauch auszudehnen oder einzuschränken.
Ein Bedürfnis hierzu kann sich leicht in verschiedenem Umfang in den einzelnen Bezirken herausstellen.
4 2. Die Nutzungsrechte der Anlieger an öffentlichen Wasserläufen müssen so gestaltet werden,
daß ohne Beeinträchtigung der Interessen der Allgemeinheit unter billiger Rücksichtnahme der Aulieger auf—-
einander eine möglichst weitgehende wirtschaftliche Ausnutzung des Wassers erreicht werden kann.
In dem südwestafrikanischen Entwurf hat eine genaue Aufzählung der Befugnisse des Auliegers und
des Eigentümers, im Preußischen Wasserrecht namentlich eine solche des Eigentümers stattgefunden.
Das Wasserrecht der Südafrikanischen Union unterscheidet, ob es sich um Normalwasser, das die
Wassergerichte genau festsetzen, oder um Uberschußwasser handelt. Letzteres darf jeder Anlieger ohne
Genehmigung in weitestem Umfang beuutzen; er hat die Möglichkeit, seine Anlagen zur Benutzung des Uberschuß=
wassers vom Wassergericht genehmigen zu lassen und findet dann, wenn er sich den etwaigen Beschränkungen
der Genehmigungsbehörde unterwirft, auch deren Schutz gegen die Anlagen anderer bis zur Grenze des
genehmigten Gebrauches. Bei der Benutzung des Normalwassers wird I. Gebrauch, II. Gebrauch und
III. Gebrauch, nämlich der Gebrauch für den Hausbedarf, für Bewässerungszwecke und für industrielle Anlagen
unterschieden und als Grundsatz aufgestellt, daß der Oberlieger die Nugung zum II. Gebrauch nur dann er-
hält, wenn alle Unterlieger den I. Gebrauch haben, und daß ebenso der Oberlieger nur dann die Nutzung zum
III. Gebrauch haben darf, wenn alle Unterlieger den II. Gebrauch erhalten. Jeder Anlieger kann sofort die
Eutscheidung des Wassergerichts über den Umfang der Nutzung des ihn vermeintlich schädigenden andern An-
liegers verlangen.
· Die Berichte der Lokalbehörden empfehlen überwiegend die Aufstellung einer Genehmigungspflicht für
jeden über den Hausbedarf und das Viehtränken hinausgehenden Gebrauch des Wassers öffentlicher Flüsse,
namentlich dann, wenn das Wasser durch Gräben in andere Flußbereiche oder über fremde Grundstücke geleitet
oder zu Industrieanlagen benutzt wird.
Im Entwurf §7 ist den Anliegern ein weitgehendes Wasserbenutzungsrecht eingeräumt worden, soweit
dadurch nicht eine angemessene Benutzung anderer Anlieger wesentlich beeinträchtigt oder die Allgemeinheit
benachteiligt wird. Namentlich zur Wahrung der letztgenannten Interessen ist die Genehmigungspllichtigkeit
aller solcher Nutzungsarten vorgesehen, die besondere Anlagen voraussetzen. Hierbei wird es sich meist um
Wassergräben und Schöpfanlagen handeln, die das Benutzungsrecht anderer Anlieger nicht wesentlich beeinträchtigen.
Häufig wird es zweifelhaft sein, ob die ohne besondere Genehmigung statthafte Benutzung des Flusses — ohne
Anlagen — oder der Benutzungsrechte anderer Anlieger wesentlich beeinträchtigt. Infolgedessen sieht der Ent-
wurf vor, daß jeder Anlieger verlangen kann, daß Art und Umfang der Wassernutzung durch das Wasseramt
oder durch die an dessen Stelle zuständige Behörde festgesetzt wird. Die gleiche Antragsbefugnis steht der
Wasserpolizei zu., die dadurch in die Lage versetzt wird, nicht nur die öffentlichen Interessen, sondern auch die
von Eingeborenen gegen Benachteiligung zu schützen. Auf diesem Wege kann die Praxis der Wasserämter
Rechtsgrundsätze entwickeln, die sich dem Bedürfnis der Wirtschaftsinteressen der einzelnen Bezirke genau an-
passen werden und eine speziellere gesetzliche Regelung des Umfangs und Inhalts der Nutzungsrechte der An-
lieger in den einzelnen Teilen der Kolonie vorbereiten. Zum Erlaß der dann erforderlichen Vorschriften wird
der Gonverneur in § 7 Absatz III ermächtigt.
.Auch das Nutzungsrecht der Eigentümer von Privatflüssen ist im Entwurf nicht durch
eine Aufgählung der einzelnen Befugnisse festgelegt wie im Preußischen Wassergesetz und Südwestafrikanischen
Entwurf. Es erschien vielmehr ausreichend, die sich aus dem Eigentumsbegriff ergebenden Befugnisse des Eigen-
tümers durch einige allgemeine einschränkende Vorschriften näher zu bestimmen und die Begrenzgung der Rechte
im Einzelfall auch der Entscheidung des Wasseramtes vorzubehalten. Als Grundlage für diese Entscheidungen
siellt § 8 des Entwurfs den Satz auf, daß die Benutzung von Privatwasserläufen nicht zu einer erheblichen
Benachteiligung der Allgemeinheit oder anderer Eigentümer oder Nutzungsberechtigter führen darf. Da die
Interessen der Allgemeinheit bei Privatflüssen weniger als bei öffentlichen Wasserläufen im Vordergrund stehen,
konnte von einer Mitwirkung der Wasserpolizeibehörden durch Genehmigung von Anlagen abgesehen werden.
Als besondere Schranken der Eigentümerrechte sieht der Entwurf aber die Bestimmung vor, daß der Eigentümer
den Wasserlauf nicht über seine Grundstücksgrenzen hinaus aufstauen, das Wasser auch nicht in ein anderes
Flußgebiet ableiten und schließlich abgeleitetes Wasser dem Flußgebiet stets wieder zuführen soll. Denn diese
Maßnahmen haben erfahrungsgemäß meist eine erhebliche Beeinträchtigung der Nutzungsrechte anderer Anlieger
zur Folge und werden daher dem Eigentümer zweckmäßig nur auf dem Wege der Verleihung gestattet. Ahn-
liche Bestimmungen sehen sowohl der südwestafrikanische Entwurf wie das Preußische Wassergesetz vor.
Wie die Anlieger eines öffentlichen Flusses, so haben auch die beeinträchtigten Nutzungsberechtigten
von Privatflüssen und die Polizeibehörde die Befugnis, jederzeit eine Entscheidung des Wasseramtes über die
Grenzen von Art und Umfang der Wassernutzung eines Flußeigentümers zu beantragen. Für die etwaige
lünftige genauere Regelung der von den Flußeigentümern in den einzelnen Teilen des Schutzgebiets zu
beobachtenden Schranken durch Gouvernementsverordnung ist in § 8 Absatz IV auch die erforderliche Er-
mächtigung vorgesehen.
4. Die Grundsätze über Verleihung von Nutzungsrechten sind im Preußischen Wasserrecht sehr ein-
gehend behandelt, wobei die in Betracht kommenden Fälle einzeln aufgezählt werden. Der Südwestafrikanische
Entwurf stellt nur einige allgemeine Grundsätze über die Voraussetzungen der Berleihung auf und regelt das
Verleihungsverfahren genau. %
. Ahnlich ist der Inhalt der Verleihung im Entwurf § 9 und 10 durch einige allgemeine Grundsätze
sormuliert und im übrigen dem Gouverneur das Recht eingeräumt, weitere Vorschriften über die Voraussetzungen