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Die erbeuteten Gewehre werden wohl
ein paar alte Vorderlader der Eingebo-
renen gewesen sein. Es ist demnach wirklich eine
Tat von außerordentlicher Bedeutung, die der
Gouverneur von Britisch-Njassaland seinem Kolo-
nialsekretär melden konnte.
Im Anschluß daran dürfte es von Interesse
sein, zu erfahren, auf welche Weise der Dampfer
„Hermann von Wissmann“ seiner Zeit den
Engländern in Sphinrhafen in die Hände feiel.“)
Vor kurzem ist darüber folgender Bericht des
Bezirksamts Neulangenburg eingegangen.
„Nach Angabe eines Schwarzen, der dabei
zugegen war, hat sich die Gefangennahme der
Dampferbesatzung wie folgt zugetragen:
An dem fraglichen Morgen — nach der Mit-
teilung des Schiffsführers Mosler am 13. August
1914 — nach Angabe von anderer Seite am
7. August 1914 — bei Tagesgrauen, als die
Europäer noch in ihren Zelten lagen und schliefen,
erschien der englische Dampfer und gab mehrere
Schüsse ab. Mosler wurde von seinem Diener
geweckt mit dem Bemerken, die Engländer schössen,
es müsse wohl Krieg sein. Mosler glaubte dieses
nicht, zog sich aber an und fuhr mit seinem Boot
an Bord, um den ihm bekannten Kapitän des
englischen Dampfers zu begrüßen. Dort an-
gekommen, wurde er festgehalten und ihm be-
deutet, daß er Kriegsgefangener sei. Jetzt wurden
einige englische Askari zu dem noch in seinem
Zelt schlafenden Maschinisten Wagner geschickt,
mit dem Befehl, ihn an Bord zu bringen. Dieser
lehnte es ohne entsprechende schriftliche Aufforde-
rung ab. Die Askari kehrten deshalb auf den
Dampfer zurück. Dann gingen sie in Begleitung
einiger Engländer nochmals an Land und holten
Wagner nebst den indischen Handwerkern. Nach-
dem dies geschehen war, sollen die Askari auf
Befehl der Engländer drei Freudensalven ab-
gegeben haben. Nach Angabe des schwarzen
Gewährsmannes sollen die beiden Deutschen an
den Händen gefesselt worden sein.
Die Nachricht von der Mobilmachung ging
in Neulangenburg am 9. August 1914 nach-
mittags ein, die von der Kriegserklärung Eng-
lands am 15. August 1914. Trotzdem alle Nach-
richten nach Sphinrhafen (Bezirk Ssongea), wo
der Dampfer zur Zeit auf Helling lag, durch
Eilboten bestellt wurden, war es nicht möglich,
die Dampferbesatzung noch rechtzeitig zu benach-
richtigen.“
Soweit die kriegerischen Ereignisse.
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*) Agl. unsere 1. Mitt. (D. Kol. Bl. 1914, Nr. 23).
Über die allgemeine Lage in der Kolonie
um Mitte März d. IJs. ist amtlicherseits fol-
gendes bekannt geworden:
„Deutsch-Ostafrika ist frei vom Feinde,
ausgenommen die Insel Mafia und den
Longidoberg (nordwestlich vom Kilimandscharo
an der deutsch-englischen Grenze), die von Eng-
ländern besetzt find. Wir halten Taveta in
Britisch-Ostafrika (östlich vom Kilimandscharo)
besetzt. Vor der Küste befinden sich folgende
englische Kriegsschiffe: Linienschiff „Goliathe,
Kreuzer „Weymouth-, „Hyacinth-, Astraea:,
* Pyramus--, nach Gefangenenaussage auch Dart-
mouth-, Hilfskreuzer -Kinfauns Castle= und ein
zweiter Hilfskreuzer gleichen Typs, ferner armierter
Kabeldampfer - Duplex-, vier armierte Walfisch-
fänger, ein Wasserflugzeug (letzteres im März ein-
getroffen). Von den englischen Schiffen liegen
stets einige, darunter die „Weymouthe, vor der
Rufidjimündung, die übrigen fahren längs der
Küste hin und her und haben nach der Blockade-
erklärung noch eine Anzahl Daus, darunter auch
solche, die versteckt an Land lagen, weggenommen.
Unsere Truppen haben sich durchweg
hervorragend bewährt. Verpflegung und
Sanitätswesen funktionierten gut. Ein
„Rotes -Kreuz“-Komitee und ein Liebesgaben-
Komitee haben unter Leitung von Frau Gou-
verneur Schnee größere Summen aufgebracht und
sich wirksam betätigt. Der Gesundheitszustand
der Truppe und Bevölkerung war im all-
gemeinen günstig.
Die Ruhe unter den Eingeborenen ist —
abgesehen von ein paar üblichen Viehräubereien
von Warundi, die zur Rechenschaft gezogen
wurden — nicht gestört worden. Die Haltung
der Eingeborenen war, von wenigen Einzel-
ausnahmen abgesehen, loyal; die Stimmung
der mohammedanischen Bevölkerung en-
thusiastisch für den deutschen Sieg, für den
in den Moscheen gebetet wird. Das Angebot
von Rekruten aus allen Teilen der Kolonie
war größer, als eingestellt werden konnten.
Unter den Eingeborenen einiger Bezirke trat in-
folge ungünstiger Regenverhältnisse November bis
Januar Nahrungsmittelknappheit ein. Die Aus-
sichten sind indessen jetzt, nachdem im Februar
reichliche Regenfälle eingesetzt haben, für den
größten Teil der Kolonie gut. Die Kopfsteuern
sind im ganzen Schutzgebiet glatt ein-
gegangen und bleiben hinter dem Erträgnis des
Vorjahres nur unwesentlich zurück.
In einem großen Teil des nördlichen
Portugiesisch-Ostafrika sind die Ein-
geborenen aufständisch. Ein Vorgehen der
Portugiesen gegen die Eingeborenen auf dem
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