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darüber in Kenntnis zu erhalten haben, ob diese räumliche Abgrenzung
den jeweiligen Verhältnissen gerecht wird, und ob die Polizeibehörde
und die Kreisärzte darüber ausreichend unterrichtet sind. Derartige Be-
zirke sind in vielen Ortschaften von selbst gegeben. Wird z.B. eine Ort-
schaft durch einen Flußlauf, den Bahnkörper, größere Fabrikanlagen
u. dgl. in mehrere abgegrenzte Viertel geteilt, so werden diese wie
besondere Ortschaften im Sinne des S 6 Abs. 2 zu behandeln sein.
In Orten, welche, wie Berlin, Breslau, Cöln, wegen ihrer Größe in
verschiedene Kreisarztbezirke geteilt sind, werden diese als besondere
Ortschaften im Sinne des S 6 Abs. 2 zu gelten haben; dasselbe gilt
von Villenvierteln, Arbeiterquartieren u. s. w.
2. Ermittelungen in weiteren Fällen.
S 6 Abs. 3 R.G. Die höhere Verwaltungsbehörde kann Ermitte-
lungen über jeden einzelnen Krankheits- oder Todesfall an-
ordnen. So lange eine solche Anordnung nicht getroffen ist,
sind nach der ersten Feststellung der Krankheit von dem be-
amteten Arzte Ermittelungen nur im Einverständnisse mit der
unteren Verwaltungsbehörde und nur insoweit vorzunehmen,
als dies erforderlich ist, um die Ausbreitung der Krankheit
örtlich und zeitlich zu verfolgen.
A.A. zuS 6 P.G. 6. Der Regierungspräsident kann, wenn nach den Verhält-
nissen angezeigt, Ermittelungen über jeden einzelnen Krankheits- oder Todes-
fall anordnen; es empfiehlt sich, bei jedein einzelnen Krankheits- oder Todes-
fall an Kindbettfieber oder Kindbettfieberverdacht von dieser Befugnis
(Gebrauch zu machen. Solange eine solche Anordnung nicht getroffen ist,
sind nach der ersten Feststellung der Krankheit von dem beamteten Arzt
Ermittelungen nur im Einverständnisse mit dem Landrat, in Stadtkreisen
der Polizeibehörde und nur insoweit vorzunehmen, als dies erforderlich ist,
um die Ausbreitung der Krankheit örtlich und zeitlich zu verfolgen.
Unter gewissen Verhältnissen genügt es nicht, nur den ersten
Ausbruch einer Krankheit an einem Orte genau ermitteln und fest-
stellen zu lassen, weil jeder weitere Fall, wenn er nicht genau be-
obachtet wird, zu einer Epidemie und zu großen Gefahren für die Be-
völkerung führen kann. Dies ist nicht nur bei den gemeingefährlichen
Krankheiten, namentlich bei Aussatz, Cholera, Pest und Pocken der
Fall, sondern auch bei einigen anderen übertragbaren Krankheiten,
namentlich bei übertragbarer Genickstarre, Kindbettfieber, Rotz, Rück-
fallieber und Typhus. Aus diesem Grunde erteilt $S 6 Abs. 5 R.G.
der höheren Verwaltungsbehörde, d. h. in Preußen dem Regierungs-
präsidenten, die Befugnis, Ermittelungen über jeden einzelnen Krank-
heits- oder Todesfall anzuordnen. In S 6 P.G. wird diese Befugnis
ausdrücklich auf alle übertragbaren Krankheiten — mit Ausnahme
von Diphtherie, Körnerkrankheit, Lungen- und Kehlkopftuberkulose