3. Ermittelungen bei den im Gesetz nicht namentlich auf-
geführten übertragbaren Krankheiten.
S 7 P.G. Das Staatsministerium ist ermächtigt, die in dem $ 6
Abs. I des gegenwärtigen Gesetzes bezeichneten Bestimmungen
ganz oder teilweise für einzelne Teile oder den ganzen Um-
fang der Monarchie auch auf andere als die daselbst aufge-
führten übertragbaren Krankheiten vorübergehend auszu-
dehnen, wenn und solange dieselben in epidemischer Ver-
breitung auftreten.
A. A. zu 85,7u.11 P.G. Die Regierungspräsidenten haben Vorsorge zu treffen,
daß sie von dem epidemischen Ausbruch einer der in dem $ 1 nicht auf-
geführten übertragbaren Krankheiten tunlichst bald Kenntnis erhalten. Nach
erlangter Kenntnis haben sie unverzüglich an den Minister der Medizinal-
angelegenheiten über Umfang und Charakter der Epidemie zu berichten.
Dabei haben sie sich, sofern die Verhältnisse es angezeigt erscheinen lassen,
zugleich gutachtlich darüber zu äußern, ob und inwieweit es sich empfiehlt,
von den in den 8$ 5, 7 und 11 enthaltenen Ermächtigungen des >Staats-
ministeriums Gebrauch zu machen.
S 7 P.G. legt dem Staatsministerium die Berechtigung bei, die
Bestimmungen von $S 6 Abs. 1 ganz oder teilweise für einzelne Teile
oder den ganzen Umfang der Monarchie auch auf andere als die hier-
selbst aufgeführten übertragbaren Krankheiten vorübergehend auszu-
dehnen, wenn und solange dieselben in epidemischer Verbreitung auf-
treten. Diese Bestimmung war notwendig, um im Falle einer
Anwendung der Ermächtigung des $ 5 bei Krankheiten, welche durch
den Beschluß des Staatsministeriums anzeigepflichtig gemacht werden,
auch das Ermittelungsverfahren durchführen zu können. Wird also
z. B. für Influenza, Keuchhusten, Masern oder eine ähnliche Krank-
heit die Anzeigepflicht vorübergehend eingeführt, so kann das Staats-
ministerium für diese Krankheiten auch die SS 6—10 R.G. mit den
durch S 6 P.G. gegebenen Einschränkungen für anwendbar erklären.
Wie oben dargelegt, hat nach S5 Abs. 2 R.,G. auch der Bundes-
rat das Recht, die Vorschriften über die Anzeigepflicht auf andere
übertragbare Krankheiten auszudehnen, und zwar nicht räumlich be-
schränkt und vorübergehend, wie das preußische Staatsministerium,
sondern für den ganzen Umfang des Reiches und zeitlich unbegrenzt.
Dieser weitgehenden Befugnis gegenüber ist es bedauerlich, daß das
Reichsgesetz, wıe ausdrücklich hervorgehoben werden muß, die Befugnis
zur Ausdehnung der Vorschriften über das Ermittelungsverfahren
(SS 6 bis 10) auf andere Krankheiten dem Bundesrat nicht beigelegt
hat. Denn die Anzeige eines Falles hat nur dann Wert, wenn der
Fall auch amtsärztlich ermittelt und festgestellt werden darf.