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den übertragbaren Krankheiten vorschlägt, sind zwar im allgemeinen
dieselben, welche das Reichsgesetz zur Bekämpfung der gemeingefähr-
lichen Krankheiten für zulässig erklärte Um jedoch voreiligen, un-
nötigen oder zu weitgehenden Maßregeln vorzubeugen, ist in dem $ 8
des Entwurfs eine Spezialisierung dahin gegeben, daß die Maßnahmen,
welche bei jeder einzelnen der hier in Betracht kommenden übertrag-
baren Krankheiten angeordnet werden können, genau und bestimmt
bezeichnet sind. Es ist hierbei ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß
diese Zusammenstellung nicht festzustellen beabsichtigt, was in jedem
Falle angewendet werden muß, sondern daß sie das Höchstmaß dessen
bezeichnet, was im äußersten Falle angewendet werden darf, und
hinter dem in vielen Fällen nach Lage der Verhältnisse wird zurück-
geblieben werden können. Die näheren Einzelheiten in dieser Be-
ziehung müssen den Ausführungsbestimmungen des Gesetzes vorbe-
halten bleiben.“
Die Einzelheiten sind in den allgemeinen Ausführungsbestimmungen
und in den Anweisungen für die Bekämpfung von Diphtherie,
Genickstarre, Kindbettfieber, Körnerkrankheit, Milz-
brand, Rotz, Ruhr, Scharlach und Typhus enthalten.
Ob der Standpunkt des preußischen Gesetzes sich auf die Dauer
als glücklich bewähren wird, muß abgewartet werden. Nicht über-
sehen werden darf der Umstand, daß die mit großer Sorgfalt getroffene
Auswahl der für jede Krankheit zulässigen Schutzmaßregeln zwar dem
jetzigen Standpunkte der Wissenschaft entspricht, aber die Möglich-
keit, die Bekämpfung einem etwaigen Fortschritte der Wissenschaft
anzupassen, erschwert, da eine Vermehrung der bei den einzelnen
Krankheiten anwendbaren Schutzmaßreseln ohne eine Änderung des
Gesetzes unmöglich ist.
Andererseits ist die Mahnung an die Polizeibehörden und Ärzte,
sich bei der Anwendung von Schutzmaßregeln stets auf einer mitt-
leren Linie zwischen dem absolut Notwendigen und dem mit einer
unnützen Belästigung verbundenen Zuviel zu bewegen, sicher von
Nutzen für alle Beteiligten.
2. Anfechtung der Anordnungen.
8 11 Abs. 2 R.G. bestimmt, daß eine etwaige Anfechtung der
Anordnungen keine aufschiebende Wirkung haben soll. Dieselbe Be-
stimmung bezüglich der übertragbaren Krankheiten des preußischen
Gesetzes findet sich in $ 12 Abs. 4 P.G. Diese Bestimmung war bei
den parlamentarischen Verhandlungen beider Gesetze Gegenstand leb-
hafter Erörterungen, wurde aber glücklicherweise aufrecht erhalten.
Denn zu welchen Folgen könnte es führen, wenn z. B. bei einem Falle
von Cholera, Pest, Genickstarre oder Typhus die Angehörigen eines
Kranken das Recht haben sollten, die Durchführung der Absonderung,