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I. Beobachtung kranker und verdächtiger
Personen.
S 12 R.G. Kranke und krankheits- oder ansteckungsverdächtige
Personen können einer Beobachtung unterworfen werden.
Eine Beschränkung in der Wahl des Aufenthalts oder der
Arbeitsstätte ist zu diesem Zwecke nur bei Personen zulässig,
welche obdachlos oder ohne festen Wohnsitz sind oder be-
rufs- oder gewohnheitsmäßig umherziehen.
A.A. 88 Abs. 3P.G. I Einer Beobachtung ($ 12 R.G.) können unter-
worfen werden:
1. kranke und krankheitsverdächtige Personen bei Körnerkrankheit, Rotz,
Rückfallfieber und Typhus;
2. kranke, krankheitsverdächtige und ansteckungsverdächtige Personen,
sofern sie gewerbsmäßig Unzucht treiben, bei Syphilis, Tripper und
Schanker ;
3. ansteckungsverdächtige Personen bei Tollwut, d. h. solche Personen,
welche von einem tollen oder tollwutverdächtigen Tiere gebissen
worden sind.
Krank im Sinne des Gesetzes sind solche Personen, bei welchen eine
der in dem $ 1 aufgeführten Krankheiten festgestellt ist;
Krankheitsverdächtig sind solche Personen, welche unter Er-
scheinungen erkrankt sind, die den Ausbruch einer der in dem $ 1 auf-
geführten Krankheiten befürchten lassen;
Ansteckungsverdächtig sind solche Personen, bei welchen zwar
Krankheitserscheinungen noch nicht vorliegen, bei denen aber infolge ihrer
nahen Berührung mit Kranken die Besorgnis gerechtfertigt ist, daß sie den
Ansteckungsstoff in sich aufgenommen haben.
Unter den Mafßfregeln, welche zur Verhütung der Verbreitung der
Krankheit angeordnet werden können, wird zuerst die Beobach-
tung aufgeführt. Sie kann sowohl bei kranken als bei krankheits-
oder ansteckungsverdächtigen Personen zur Anwendung gelangen.
Nach der Begründung, welche dem Reichsgesetz beigegeben war, soll
die Beobachtung in schonender Form und so geschehen, daß Be-
lästigungen tunlichst vermieden werden. Sie wird, abgesehen von den
erforderlichen bakteriologischen Untersuchungen, in der Regel daraut
beschränkt werden können, daß durch einen Arzt oder sonst geeignete
Personen in angemessenen Zwischenräumen Erkundigungen über den
Gesundheitszustand der betreffenden Person eingezogen werden. Es
ist klar, daß ohne ein Recht, eine derartige Beobachtung auszuüben,
die Polizeibehörde den Krankheitsfall aus dem Auge verlieren und
nicht in der Lage sein würde, etwaige von ıhm ausgehende Gefahren
für die Allgemeinheit zu verhüten.
Um zu verhindern, daß diese Beobachtung zu einer Freiheits-
beraubung für die der Beobachtung unterwortenen Personen führt,
wird ausdrücklich bestimmt, daß eine Beschränkung in der Wahl des
Aufenthalts und Jer Arbeitsstätte zum Zwecke der Beobachtung nur