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bei solchen Personen zulässig sein soll, welche obdachlos oder ohne
festen Wohnsitz sind oder berufs- oder gewohnheitsmäßig herumziehen.
Hiernach ist also Personen, deren Gesundheitszustand es gestattet,
unbenommen auszugehen, nur Vagabunden, herumziehende Händler,
Zigeuner, Flößer und ähnliche Personen ohne ÖObdach und festen
Wohnsitz dürfen polizeilich gezwungen werden, einen ihnen zuge-
wiesenen Aufenthalt nicht zu verlassen oder sich bei der Wahl ihrer
Arbeitsstätte gewissen Beschränkungen zu unterwerfen,
Über die zulässige Dauer der Beobachtung enthält das Reichs-
gesetz nichts. In den allgemeinen Ausführungsbestimmungen zu $ 8
P.G. wird in Ziff. 3, I, Abs. 7 bestimmt, daß die Dauer der zulässigen
Beobachtung ansteckungsverdächtiger Personen sich nach der Zeit
richten soll, welche erfahrungsgemäß zwischen der Ansteckung und
dem Ausbruch der Krankheit liest, also nach der sogenannte Inku-
bationszeit. Wie lang diese Zeit bei der einzelnen Krankheiten ist,
wird nicht gesagt, es wird nur bemerkt, daß sie bei Tollwut längstens
ein Jahr beträgt.
Von Bedeutung ist eine Erklärung darüber, was man unter krank,
krankheits- und ansteckungsverdächtig zu verstehen hat.
Krank im Sinne der Seuchengesetze sind solche Personen, bei
welchen eine der anzeigepflichtigen übertragbaren Krankheiten fest-
gestellt ist. Handelt es sich also um Typhus, so ist eine Person als
krank anzusehen, wenn sie den Typhus hat; handelt es sich um
Diphtherie, so versteht man unter „krank“ eine von Diphtherie be-
fallene Person usw.
Krankheitsverdächtig im Sinne der Seuchengesetze sind
solche Personen, welche unter Erscheinungen erkrankt sind, die den
Ausbruch einer anzeigepflichtigen übertragbaren Krankheit befürchten
lassen. Eine Person, welche eine schwere Lungenentzündung hat, ist
im Sinne des Seuchengesetzes krankheitsverdächtig zu Pestzeiten, da
bekanntlich die Pest häufig unter dem Bilde einer Lungenentzündung
auftritt, sowie zu Zeiten von Milzbrandgefahr, da infolge von Einatmung
von Milzbrandsporen eine eigenartige Form von Lungenentzündung vor-
kommt. Krankheitsverdächtig zu Oholerazeiten sind Personen mit akut
auftretenden, heftigen und schnell zu Entkräftung führenden Durchfällen;
krankheitsverdächtig zur Zeit einer Typhusepidemie sind Personen mit
hohem Fieber, Allgemeinerscheinungen und Durchfall. Aus diesen Bei-
spielen geht hervor, daß der Begriff des Krankheitsverdachts ein keines-
wegs einheitlicher, sondern von der Natur der in Frage stehenden über-
tragbaren Krankheiten abhängig ist und daher ohne die Mitwirkung
eines erfahrenen Arztes nicht entschieden werden kann. Das (resetz
macht daher alles weitere von der Erklärung des beamteten Arztes
abhängig, ob der Verdacht des Auftretens der betreffenden Krankheit
begründet ist oder nicht.