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wenn es zielbewußt und einheitlich geschieht, und nun faßte man den
Mut zur Ausarbeitung eines Reichsseuchengesetzes.
Noch während der Oholerakampagne und unter hingebender Mit-
wirkung von Robert Koch und zahlreicher anderer Hygieniker
wurde der Entwurf des Seuchengesetzes unter der Leitung des ver-
dienstvollen damaligen Präsidenten des Kaiserlichen Gesundheitsamtes,
Exzellenz Köhler, fertiggestellte Allein zweimal wurde es dem
Reichstage vorgelegt, ohne zur Verabschiedung zu gelangen. Das
erste Mal 1893 stieß es auf Widerstand in der Kommission, und das
zweite Mal 1894 wurde seine Beratung durch die vorzeitige Auflösung
des Reichstages unterbrochen.
Es bedurfte der Einwirkung einer zweiten großen Volkskrankheit,
der Pest, um die Widerstände zu brechen. Das Auftreten der Pest
in Indien im Jahre 1897 und ihr Erscheinen in mehreren europäischen
Hafenstädten veranlaßte den damaligen, inzwischen verstorbenen
preußischen Kultusminister D. Dr. Bosse, beim Reichskanzler die
Wiederaufnahme der Verhandlungen in Anregung zu bringen. Der
damalige Staatssekretär des Innern, GrafvonPosadowsky-Wehner,
gab dieser Anregung Folge, und so erlangte der nur wenig abge-
änderte Entwurf von 1893 endlich am 30. Juni 1900 Gesetzeskraft,
und bereits am 6. Oktober 1900 folgten die Ausführungsbestimmungen
nach. Durch den Erlaß von Anweisungen zur Bekämpfung der im
Reichsgesetz behandelten Krankheiten — der Pest vom 3. Juli 1902,
des Aussatzes, der Cholera, des Fleckfiebers und der
Pocken vom 28 Januar 1904 — durch den Bundesrat wurde die
Bekämpfung dieser Krankheiten wesentlich erleichtert. Sämtliche
Bundesstaaten beeilten sich, diese Ausführungsbestimmungen durch
besondere Vorschriften, soweit sie für ihre besonderen Verhältnisse
erforderlich schienen, zu vervollständigen.
Das Reich hatte sich jedoch bei seinem gesetzlichen Vorgehen
eine weise Beschränkung auferlegt, indem es nur diejenigen Krank-
heiten in den Bereich des Reichsgesetzes zug, welche die Neigung
haben, durch pandemische Wanderungen die Grenzen der einzelnen
Bundesstaaten zu überschreiten und größere Teile des Reiches gleich-
zeitig zu gefährden. Das Gesetz erstreckte sich in erster Linie auf
Cholera, Fleckfieber, Pest und Pocken. Die Leprakonferenz
des Jahres 1897 und die Entdeckung eines kleinen Lepraherdes im
Kreise Memel gaben die Veranlassung dazu, daß auch der Aussatz
in das Gesetz aufgenommen wurde Endlich entschloß man sich mit
Rücksicht auf unseren überseeischen Schiffsverkehr zur Aufnahme des
in Europa nicht heimischen Gelbfiebers. Die Bekämpfung der
übrigen Krankheiten glaubte man der Landesgesetzgebung überlassen
zu sollen.
Bei der Verschiedenartigkeit der Verhältnisse in den einzelnen