Full text: Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche unter besonderer Berücksichtigung Preußens.

— 128 — 
auf dieselben nicht anwendbar sind. Hier wird die in Beratung befind- 
liche Novelle zum Viehseuchengesetz hoffentlich Abhilfe schaffen. 
Für Tierkrankheiten, welche auf den Menschen übertragbar sind, 
kommen die von den Tieren herrührenden Gegenstände als Krankheits- 
überträger in Betracht; von solchen Krankheiten erwähnt das Gesetz 
Milzbrand, Rotz und Wut, jedoch können die beiden letzteren 
bei dieser Betrachtung ausscheiden, weil die Übertragung von Rotz 
und Wut durch Abfallstoffe von Tieren kaum je beobachtet worden ist. 
Um so häufiger kommt etwas derartiges bei Milzbrand vor. Rinder, 
Schafe und Schweine, welche an Milzbrand erkranken, haben reich- 
liche blutige Durchfälle; in diesen Ausleerungen befinden sich zahl- 
reiche Krankheitskeime, welche an der Luft überaus dauerhafte Sporen 
bilden. Diese Krankheitskeime finden sich auch im Blute der er- 
krankten Tiere. Wird ein solches Tier geschlachtet, so wird das aus- 
tretende Blut die Krankheit übertragen können. So kommt es, daß be- 
sonders Schlächter und Abdecker, welche mit derartigen Tieren 
zu tun haben, nicht so selten an Milzbrandkarbunkel erkranken. Das 
Gleiche beobachtet man in Gerbereien, in welchen die Felle von 
Rindern und Schafen verarbeitet werden, während in anderen Fabriken, 
in denen die Wolle von Schafen sortiert, Roßhaare gesponnen, 
Schweineborsten zu Bürsten und Pinseln verarbeitet und Lumpen 
verhandelt oder zu Papier verarbeitet werden, infolge der Einatmung 
des hierbei sich entwickelnden Staubes eine eigenartige Form von 
Lungenmilzbrand, die sogenannte Hadernkrankheit, entsteht. Eine 
sehr eigenartige Entstehungsweise des Lungenmilzbrandes hatte ich wäh- 
rend meines Aufenthaltes in Ägypten Gelegenheit zu beobachten. Dort 
erkrankten in einem Fellahdorfe fast gleichzeitig 40 Frauen an einer 
schweren Lungenentzündung, welche den Verdacht von Lungenpest er- 
weckte. Herr Professor Bitter, der Direktor des hygienischen Instituts 
in Cairo, stellte jedoch fest, daß es sich nicht um Pest, sondern um 
Milzbrand handelte, und daß die Erkrankung dadurch zustande ge- 
kommen war, daß die Frauen, wie es in Ägypten allgemein üblich ist, 
den Dünger von Kamelen zu kleinen Kuchen verarbeitet hatten, welche 
als Brennmaterial dienen sollten. Der Dünger rührte von an Milz- 
brand erkrankten Kamelen her, bei deren Verarbeitung die Milzbrand- 
sporen verstäubten, und so war diese eigenartige Erkrankung zustande 
gekommen. 
Die Befugnis, Maßregeln zu treffen, durch welche die vorstehend 
gekennzeichneten Gefahren verhütet werden können, wird durch § 15 
Ziff. 1 und 2 R.G. gegeben, und zwar besteht diese Befugnis hin- 
sichtlich der sechs Krankheiten des Reichsgesetzes nicht nur für Ort- 
schaften und Bezirke, welche von einer dieser Krankheiten befallen, 
sondern auch für solche, welche von ihr nur bedroht sind. Zu Zeiten 
von Cholera-, Fleckfieber-, Pest- und Pockengefahr können also die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.