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A.A. zuS8SP.G. 3. XII. Für dieAufbewahrung, Einsargung, Beför-
derung und Bestattung der Leichen von Personen, welche an
Diphtherie, Ruhr, Scharlach, Typhus, Milzbrand oder Rotz gestorben sind,
können „esondere Vorsichtsmaßregeln angeordnet werden ($ 21 des Reichs-
esetzes).
® Als solche kommen in Betracht:
Einhüllen der Leichen in Tücher, welche mit einer desinfizierenden Flüs-
sigkeit getränkt sind, baldige Einsargung, Füllung des Sargbodens mit einem
aufsaugenden Stoffe, baldige Schließung des Sarges, Überführung des Sarges
in ein Leichenhaus oder einen anderen geeigneten Absonderungsraum, Ver-
bot der Ausstellung der Leiche im Sterbehause oder im offenen Sarge, Be-
schränkung des Leichengefolges, Verbot der Leichenschmäuse, baldige Be-
stattung, Befolgung der Desinfektionsmaßregeln seitens der Leichenträger.
Das Betreten des Sterbehauses, die Begleitung der Leichen der an
Diphtherie oder Scharlach verstorbenen Personen durch Schulkinder und
das Singen der Schulkinder am offenen Grabe ist zu verbieten.
Hauptsächlich kommt für die Verbreitung der übertragbaren
Krankheiten der erkrankte Mensch in Betracht. Diese Gefahr stellt
er nicht nur während des Lebens, sondern auch noch nach dem Tode
dar. Es muß aber hervorgehoben werden, daß die früher verbreitete
Anschauung, Krankheiten könnten durch Kirchhöfe verbreitet werden,
und die Leichen von Personen, welche an übertragbaren Krankheiten
zu Grunde gegangen sind, könnten durch Infektion des Grundwassers
der Kirchhöfe zur Verbreitung der Krankheit beitragen, nicht zutreffend
ist. Wenn man z. B. von Fällen berichtete, in denen Cholera oder Typhus
von Cholera- oder Typhusleichen ausgegangen sein sollten, welche
ein Jahr oder länger bestattet waren, so beruht dies zweifellos auf
einem Irrtum. Durch eingehende Untersuchungen von Petri,
v.Esmarch u. A. ist nachgewiesen, daß die Erreger der meisten bak-
teriologischen Krankheiten innerhalb der Leiche in kurzer Zeit zu
Grunde gehen infolge von Überwucherung durch Fäulniserreger.
Eine ordnungsmäßig bestattete Leiche ist für Menschen un-
gefährlich, weil die in ihr enthaltenen Krankheitskeime eher ab-
sterben, als der Sarg verwest.e. Die Keime würden daher, selbst
wenn sie noch lebten, gar nicht in den Boden übergehen können;
wenn sie das aber selbst könnten, so würden sie nicht in das Grund-
wasser und damit in das Wasser von Brunnen gelangen können, weil
sie durch die filtrierende Kraft des Bodens in demselben zurück-
gehalten werden. Wir wissen aus den Untersuchungen namentlich
von ©. Fränkel, daß der Boden schon in weniger als 2 m Tiefe fast
vollkommen bakterienfrei ist. Untersuchungen von Schlatter und
anderen haben ergeben, daß der Kirchhofsboden sich in dieser Be-
ziehung von anderen Bodenarten in keiner Weise unterscheidet; ja
selbst direkt unter Gräbern verhält er sich nicht anders. Die Gefahren,
welche Leichen für ihre Umgebung darstellen, bestehen also nur in
der Zeit zwischen dem Eintritt des Todes und der Bestattung.
Diese Gefahren sind aber unter Umständen sehr groß. Gegen
das Ende der Krankheit hin nehmen nämlich die Krankneitserreger