— 1854 —
Erfahrungen, die Körnerkrankheit außerhalb ihres sozusagen endemischen
Gebietes verhältnismäßig leicht verläuft, während sie im Osten der
Monarchie überaus häufig zu schweren Störungen des Sehvermögens,
ja zuweilen zu völliger Erblindung führt.
In Abs. 2 wird gesagt, in welcher Weise die zwangsweise Be-
handlung durchgeführt werden soll. Sie kann entweder in öffent-
lichen ärztlichen Sprechstunden oder in einem geeigneten Kranken-
hause stattfinden. Im Bereich der planmäßigen Bekämpfung werden
die einzelnen Kreise in Bezirke eingeteilt, deren jeder einem, meist
in besonderen Kursen vorgebildeten Arzte gegen ein Pauschquantum
überwiesen wird. Die Sprechstunde findet entweder in der Behausung
des Arztes oder in einem von dem Kreise oder der Gemeinde zur
Verfügung gestellten Raume statt. Die Kosten der hierbei erforder-
lichen Arzeneien und Desinfektionsmittel werden auf Staatsfonds über-
nommen. Die Unterbringung der Kranken in einem Krankenhause
soll nur dann erfolgen, wenn zur Heilung des Falles die Vornahme
einer Operation erforderlich ist. Die Vornahme einer solchen ist aber
nur mit Zustimmung des Kranken zulässig. Wie in der Begründung
ausgeführt, wird nämlich das Recht, wider den Willen des Kranken
an dessen Körper Operationen vorzunehmen, nach einer Entscheidung
des Reichsgerichts in Strafsachen, Bd. 25, S. 375, durch den Behand-
lungszwang nicht begründet. In dieser Beziehung besteht unter den
Sachverständigen noch keine Übereinstimmung. Während manche
Augenärzte, z. B. Kuhnt, Heisrath u. A. der Ansicht sind, schwere
Fälle von Körnerkrankheit seien ohne Vornahme einer Operation über-
haupt nicht heilbar, stehen andere, wie Greeff, Hirschberg,
v. Michel u. A., denen auch ich mich anschließe, auf einem milderen
Standpunkt und wollen die Vornahme einer Operation nur in sehr
vorgeschrittenen Fällen zulassen. Die Erfahrung, daß gar nicht so
selten nach der Herausnahme der Übergangsfalten über kurz oder lang
schwere Rückfälle erfolgen, spricht jedenfalls dafür, mit der Operation
vorsichtig zu sein.
In Abs. 3 wird bestimmt, daß für den Fall, daß die Behandlung
in einer öffentlichen Sprechstunde stattfindet, die Kranken angehalten
werden können, sich an bestimmten Orten, zu bestimmten Tagen und
Stunden zur Untersuchung und Behandlung einzufinden. Diese Vor-
schrift ist unerläßlich, wenn die Behandlung überhaupt durchgeführt
werden soll. Allerdings wird es sich empfehlen, bei der Ansetzung
dieser Sprechstunden auf die Erwerbs- und sonstigen Verhältnisse der
Bevölkerung Rücksicht zu nehmen. In ländlichen Bezirken wird
während der Bestell- und Erntezeit von solchen Sprechstunden über-
haupt Abstand zu nehmen sein. Auch wird es sich empfehlen, in
den Jahreszeiten, wo die Sprechstunden stattfinden, sie auf solche
Tage zu verlegen, wo die ländliche Bevölkerung durch Märkte, Messen