Full text: Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche unter besonderer Berücksichtigung Preußens.

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von Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Sachsen-Weimar 
und Anhalt. 
In Bayern besteht nach der Dienstordnung für die Leichen- 
schauer vom 20. Nov. 1885 eine Anzeigepflicht für die Leichenschauer,, 
wenn sich die Gewißheit oder der Verdacht ergibt, daß der Tod in- 
folge von Ruhr erfolgt ist. Auch haben nach Art. 67 Abs. II Pol.-Straf- 
Ges.-Ordn. das Staatsministerium des Innern, die Regierungen, Kam- 
mern des Innern und die Distriktspolizeibehörde ‚die Befugnis, nach 
Bedarf, z. B. bei Epidemien, die Anzeige bei Ruhr anzuordnen. — 
In Sachsen ist auch in der Verordnung vom 29, April 1905, durch 
welche die Anzeigepflicht neu geregelt worden ist, die Ruhr nicht 
erwähnt. — In Württemberg sind gemäß Ministerialerlaß vom 
29. Okt. 1883 nur umfangreiche Epidemien von Ruhr anzuzeigen; 
eine Anzeigepflicht für jeden Fall von Ruhr besteht nach der Ver- 
fügung vom 13. Juli 1891 nur bezüglich Personen, welche in einem 
Schulhause wohnen oder zum Hausstande eines Lehrers oder Schul- 
dieners gehören. — In Baden besteht gemäß Verordnung vom 30. Dez. 
1881 nur bei epidemischem Auftreten von Ruhr Anzeigepflicht. — In 
Hessen, wo die Anzeigepflicht nicht einheitlich, sondern in den ein- 
zelnen Kreisen verschieden geregelt ıst, besteht eine solche für epi- 
demische Ruhr nur in 12 von 18 Kreisen. — In Sachsen-Weimar 
kann für die Dauer einer gefährlichen Epidemie der Bezirksdirektor 
auf Antrag der Bezirksärzte die Anzeige von Ruhr anordnen. — In 
Anhalt besteht laut Verordnung vom 15. Okt. 1882 Anzeigepflicht 
für jede Erkrankung an bösartiger Ruhr. 
Es wäre sehr erwünscht, wenn man ın allen Bundesstaaten dazu über- 
ginge, jede Erkrankung und jeden Todesfall an übertragbarer Ruhr 
der Anzeigepflicht zu unterwerfen. 
2. Scharlach. Auch eine erfolgreiche Bekämpfung des Schar- 
lachs ist unmöglich, wenn sich die Anzeigepflicht auf besonders bös- 
artige oder auf gehäuft auftretende Fälle beschränkt. Vielmehr er- 
möglicht nur die Anzeige jedes noch so leichten und jedes vereinzelten 
Falles die sichere Verhütung einer Epidemie. Jeder erfahrene Arzt 
weiß, daß man infolge Berührung mit einem leichten Fall überaus 
schwer an Scharlach erkranken kann. Die große Sterblichkeit und 
die zahlreichen und schweren Nachkrankheiten, welche die Krankheit 
verursacht, machen doppelte Vorsicht zur Pflicht. Gehört doch der 
Scharlach zu den wichtigsten Todesursachen im Kindesalter. Von je 
10000 Lebenden starben in Preußen an Scharlach im Jahre 
1890 : 2,90 1894 : 2,17 1898 : 2,36 1902 : 3,18 
1891: 1,64 1895: 2,23 1899 : 3,67 1903 : 3,49 
1892 : 2,06 1896: 2,16 1900 : 3,60 1904 : 2,83 
1893: 3,23 1897 : 1,70 1901: 3,43 1905 : 2,03
	        
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