— 259 —
nisse es angezeigt erscheinen lassen, zugleich gutachtlich darüber zu äußern, ob
und inwieweit es sich empfiehlt, von den in den $S$ 5, 7 und 11 enthaltenen Er-
mächtigungen des Staatsministeriums Gebrauch zu machen.
Zu S 6.
1. Die Polizeibehörden haben von den ihnen auf Grund des 8 1 zugehenden
Anzeigen jedesmal ungesäumt unter Übersendung der betreffenden Kartenbriefe
in Ur- oder in Abschrift dem beamteten Arzt Mitteilung zu machen.
Auch haben sie den beamteten Arzt, wenn sie auf andere Weise von dem
Ausbruch einer der in dem $ 1 genannten Krankheiten Kenntnis erhalten, hier-
von ungesäumt zu benachrichtigen.
Wird behufis Beschleunigung der Mitteilung der Fernsprecher oder der
„aegraph benutzt, so hat gleichzeitig die schriftliche Benachrichtigung zu er-
olgen.
2. Der beamtete Arzt hat in jedem ersten Falle einer der in dem $1 Abs. 1
genannten Krankheiten — jedoch mit Ausnahme von Diphtherie, Körnerkrank-
eit und Scharlach — sowie in Verdachtsfällen von Kindbettfieber und Typhus
unverzüglich an Ort und Stelle die erforderlichen Ermittelungen über die Art,
den Stand und die Ursache der Krankheit vorzunehmen und bei Typhus, Milz-
brand und Rotz in jedem Falle, bei den übrigen Krankheiten, falls nach Lage
des Falles erforderlich, eine bakteriologische Untersuchung zu veranlassen. Auch
hat er der Polizeibehörde eine Erklärung darüber abzugeben, ob der Ausbruch
der Krankheit festgestellt oder der Verdacht begründet ist, und ihr die sonst
erforderlichen Mitteilungen zu machen.
In Notfällen kann der beamtete Arzt die Ermittelung auch vornehmen, ohne
daß ihm eine Nachricht der Polizeibehörde zugegangen ist.
Der beamtete Arzt hat in jedem Falle, bevor er seine Ermittelungen vor-
nimmt, festzustellen, ob der Kranke sich in ärztlicher Behandlung befindet, und,
wenn dies der Fall, den behandelnden Arzt von seiner Absicht, den Kranken
aufzusuchen, so zeitig in Kenntnis zu setzen, daß dieser sich spätestens gleich-
zeitig mit dem beamteten Arzt in der Wohnung des Kranken einzufinden ver-
mag. Auch hat er den behandelnden Arzt, soweit dieser es wünscht, zu den
Untersuchungen, welche zu den Ermittelungen über die Krankheit erforderlich
sind, namentlich auch zu einer etwa erforderlichen Leichenöffnung, rechtzeitig
vorher einzuladen.
In Fällen von Milzbrand und Rotz hat der beamtete Arzt die Ermittelungen
im Benehmen mit dem beamteten Tierarzt vorzunehmen.
3. Die Anordnung der Leichenöffnung zum Zwecke der Feststellung der
Krankheit ist außer bei Cholera-, Gelbfieber- und Pestverdacht nur bei Rotz- und
Typhusverdacht zulässig und soll nur dann stattfinden, wenn die bakteriologische
Untersuchung der Absonderungen und des Blutes (Agglutination) zur Feststellung
nicht ausreicht oder nach Lage des Falles nicht ausführbar ist.
4. In Ortschaften mit mehr als 10000 Einwohnern, ın welchen die Seuche
bereits festgestellt ist, haben die vorstehend bezeichneten Ermittelungen und Fest-
stellungen auch dann zu geschehen, wenn die Entfernungen, in welchen ‚neue
Krankheitsfälle sich ereignen, von den alten Fällen so groß oder die örtlichen
Bedingungen ihrer Entstehung so verschieden sind, daß die Sachlage nicht viel
anders ist, als wenn die Krankheit in zwei verschiedenen, einander naheliegenden
Ortschaften ausbricht. Es empfiehlt sich, daß in solchen Ortschaften die Polizei-
behörde im Einvernehmen mit dem beamteten Arzt im voraus allgemein Bezirke
räumlich abgrenzt, in deren jedem der erste Seuchenfall von ihnen jedesmal be-
handelt werden soll, wie der erste Fall in der ganzen Ortschaft.
5. Mit der Ermittelung und Feststellung des ersten Falles von Diphtherie,
Körnerkrankheit oder Scharlach in einer Ortschaft, sofern er nicht von einem
Arzt angezeigt ist, hat die Polizeibehörde, sobald ihr die Anzeige zugegangen oder
der Ausbruch der Krankheit auf andere Weise zu ihrer Kenntnis gelangt ist,
unter Übersendung der Anzeige einen Arzt zu beauftragen; sie soll dazu in der
Regel behufs Kostenersparnis den nächst erreichbaren Arzt wählen. Ist die An-