Full text: Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche unter besonderer Berücksichtigung Preußens.

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Außerhalb Preußens besteht in Deutschland eine unbedingte An- 
zeigepflicht für die Körnerkrankheit nur   in Mecklenburg-Schwerin, 
Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, 
Sachsen-Altenburg, Reuß   j. L., Bremen, Hamburg und 
Lübeck, eine beschränkte in Bayern, Hessen, Sachsen- 
Weimar, Schwarzburg-Rudolstadt, Lippe und Elsaß- 
Lothringen, während die Anzeigepflicht in Sachsen, Württem- 
berg, Baden,   Sachsen-Meiningen, Sachsen-Coburg-Gotha, 
Anhalt, Schwarzburg-Sonderhausen, Waldeck, Reuß   ä.   L. 
und Schaumburg-Lippe überhaupt fehlt. 
6. Daß das Regulativ die Anzeigepflicht für die Lungen- und 
Kehlkopftuberkulose nicht kennt, kann uns nicht wundernehmen. 
Galt doch zur Zeit der Abfassung des Regulativs und noch bis in das 
letzte Fünftel des vorigen Jahrhunderts die Schwindsucht als eine 
chronische Ernährungsstörung, die sich hauptsächlich durch Erblichkeit 
verbreiten sollte. Allerdings muß angenommen werden, daß der Ver- 
fasser des Regulativs die Absonderungen der Kranken für ansteckend 
gehalten hat, da er als sanitätspolizeiliche Maßregeln bei dieser Krank- 
heit „die vorschriftsmäßige Reinigung und resp. Vernichtung der mit 
den Absonderungen der Kranken in unmittelbare Berührung ge- 
kommenen Kleidungsstücke und sonstigen Effekten“ empfiehlt. 
Eigenartig ist jedoch auch die Stellung, welche das neue preußische 
Gesetz gegenüber der Tuberkulose eingenommen hat. 
Solange man die Schwindsucht noch für eine konstitutionelle, von den 
Eltern auf die Kinder vererbliche Krankheit hielt, mochten diese Maß- 
regeln genügen. Seit aber durch Robert Koch der Tuberkelbazillus 
entdeckt, und damit der Nachweis erbracht worden war, daß die 
Schwindsucht sich durch Übertragung von Person zu Person ver- 
breitet, erhoben sich immer mehr Stimmen für die Einführung der 
Anzeigepflicht für die Tuberkulose, wenn auch die Anschauungen 
noch darüber auseinandergingen, in welchem Umfange die Anzeige- 
pflicht einzuführen sei. Sollten Erkrankungen und Todesfälle nur an 
Lungen- und Kehlkopftuberkulose oder auch an Drüsen-, Nieren-, 
Darm-, Knochen- und Gelenktuberkulose anzeigepflichtig werden ? 
Und sollte sich bei der Lungen- und Kehlkopftuberkulose die An- 
zeigepfllicht nur auf vorgeschrittene Fälle erstrecken, die augenschein- 
lich ansteckend wären, oder schon auf die ersten Anfänge, bei welchen 
noch keine Tuberkelbazillen ausgeschieden werden? 
Diese auf wissenschaftlichen Kongressen eingehend erörterten 
Fragen wurden zuerst in Deutschland, dann in Norwegen und Amerika 
zum Austrag gebracht. Schon im Jahre 1898 wurde in Sachsen- 
Altenburg die Anzeigepflicht für Todesfälle an Lungentuberkulose 
eingeführt; im Jahre 1899 folgten der preußische Regierungsbezirk
	        
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