Full text: Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche unter besonderer Berücksichtigung Preußens.

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und kann bei Gefahr im Verzuge, wenn ein vorheriges Benehmen mit 
der Polizeibehörde nicht angängig ist, die zur Verhütung, Feststellung, 
Abwehr und Unterdrückung einer gemeingefährlichen Krankheit er- 
forderlichen vorläufigen Anordnungen treffen ($ 8 Abs. 1). 
Das Reichs- und das preußische Gesetz haben daher bewußt die 
Aufgabe, die übertragbaren Krankheiten zu ermitteln, bei der Mehr- 
zahl derselben in die Hände des beamteten Arztes gelegt. Die prak- 
tischen Arzte können hierin ein Mißtrauensvotum gegen sich um so 
weniger erblicken, als das Ermittelungsverfahren meist so erhebliche 
Mühewaltung und Zeit erfordert, wie sie ein beschäftigter Arzt ohne 
Beeinträchtigung seiner Praxis nicht aufzuwenden vermag. Das Recht 
aber, auf eigene Veranlassung Ermittelungen vornehmen zu dürfen, 
kann ein praktischer Arzt vollends nicht für sich in Anspruch nehmen, 
weil dies als eine polizeiliche Befugnis nur einem Beamten zuge- 
standen werden kann. 
Die Vorschriften über das Ermittelungsverfahren sind in den 
SS 6—IO R.G. und den $$ 6 und 7 P.G. enthalten, und zwar 
geben die Paragraphen des Reichsgesetzes die grundlegenden Be- 
stimmungen, während in den Paragraphen des preußischen Gesetzes 
angegeben ist, unter welchen Bedingungen die Bestimmungen des 
Reichsgesetzes auf die Krankheiten des preulischen Gesetzes Anwen- 
dung zu finden haben. Das Nähere hierüber ist in den allgemeinen Aus- 
führungsbestimmungen vom 15. Sept. 1906 zu $S 6 und 7 enthalten. 
I. Obliegenheiten der Polizeibehörde. 
S 6 Abs. 1 Satz 1 R.G. Die Polizeibehörde muß, sobald sie von 
dem Ausbruch oder dem Verdachte des Auftretens einer der 
im $ 1 Abs. 1 genannten Krankheiten (gemeingefährliche Krank- 
heiten) Kenntnis erhält, den zuständigen beamteten Arzt zu 
benachrichtigen. 
S 6 Abs. 1 Satz 1 P.G. Auf Erkrankungen, Verdacht der Erkran- 
kungen und Todesfälle an Kindbettfieber, Typhus (Unterleibs- 
typhus), sowie Erkrankungen und Todesfälle an Genickstarre, 
übertragbarer, Rückfallfieber, Ruhr, übertragbarer, Milzbrand, 
Rotz, Tollwut, Bißverletzungen durch tolle oder der Tollwut 
verdächtige Tiere, Fleisch-, Fisch- und Wurstvergiftung, Trichi- 
nose finden die in den $$ 6 bis 10 des Reichsgesetzes, be- 
treffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, ent- 
haltenen Bestimmungen über die Ermittelung der Krankheit 
entsprechende Anwendung. 
& 6 Abs. 4 P.G. Bei Diphtherie, Körnerkrankheit und Scharlach 
hat die Ortspolizeibehörde nur die ersten Fälle ärztlich fest-
	        
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