- 61 —
gemeinverständliche Belehrung zur Verhütung des Kindbettfiebers
„Wie schützt sich die Wöchnerin vor dem Kindbettfieber“ soll von
den Hebammen jeder Schwangeren, die in ihre Behandlung kommt,
und von den Standesbeamten jeder Person, welche eine Geburt an-
meldet, ausgehändigt werden. Die durch die Verhütung dieser letzteren
Belehrung erwachsenden Kosten werden nicht vom Medizinalminister
erstattet, sondern sind von den Gemeinden zu tragen.
Die Kenntnis der neueren Eirrungenschaften auf dem Gebiete der
Infektionskrankheiten, namentlich die Ergebnisse der bakteriologischen
Forschung und der auf ihrem Boden erwachsenen Seuchenbekämpfung
ist unter den Ärzten noch nicht so verbreitet, wie es im Interesse
einer schnellen und tatkräftigen Durchführung der Seuchengesetze
wünschenswert wäre. Aus diesem Grunde ist es als zweckmälig befunden
worden, Ratschläge an Ärzte für die Bekämpfung einiger übertragbarer
Krankheiten auszuarbeiten. Solche Ratschläge sind ausgearbeitet
worden vom Kaiserlichen Reichsgesundheitsrat für Cholera, Pest und
Pocken, in der Medizinalabteilung des preußischen Kultusministeriums
für übertragbare Genickstarre, Körnerkrankheit, Milz-
brand, übertragbare Ruhr und Typhus. Diese Belehrungen
werden in Preußen jedem Kandidaten der Medizin, welcher sich zur
Ablegung der ärztlichen Prüfung meldet, ausgehändigt. Außerdem
sind sie beim Erlaß der bezüglichen Anweisungen sämtlichen preußi-
schen Ärzten übergeben worden und sollen in Zukunft in den Ort-
schaften und Bezirken, welche von einer übertragbaren Krankheit be-
fallen oder bedroht sind, erneut zur Verteilung gelangen.
Es ist von einer etwas sehr kritischen Seite bemerkt worden, die
Verteilung dieser Ratschläge sei beinahe eine Kränkung für die
Ärzte, da sie kaum etwas enthielten, was nicht jeder jüngste Student
der Medizin wissen müßte und tatsächlich wüßte. Diese Ansicht ist
zweifellos falsch. Die Mehrzahl der Ärzte erkennt die der Abfassung
und Verteilung der Ratschläge zu Grunde liegende gute Absicht
durchaus an und nimmt die Druckschriften gern entgegen, ohne sich
beleidigt zu fühlen. Im Interesse eines einheitlichen Zusammengehens
aller Beteiligten ist es nur zu wünschen, daß diese Ratschläge eine
möglichst große Verbreitung finden, um so mehr, als sie unter Mit-
wirkung der ersten Sachverständigen Preußens wie Deutschlands be-
arbeitet worden sind.
‘. Ergreifung von Schutzmaßregeln.
S 8 P.G. Ist nach dem Gutachten des beamteten Arztes der Aus-
bruch der Krankheit festgestellt oder der Verdacht des Aus-
bruchs begründet, so hat die Polizeibehörde unverzüglich die
erforderlichen Schutzmaßregeln zu treffen.