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A. A. zu § 6 P.G. 8. Ist nach dem Gutachten des beamteten Arztes — bei
Diphtherie, Körnerkrankheit oder Scharlach des mit der Feststellung beauf-
tragten Arztes — der Ausbruch der Krankheit festgestellt oder bei Kind-
bettfieber, Rotz, Rückfallfieber oder Typhus der Verdacht der Krankheit
begründet, so hat die Polizeibehörde unverzüglich die erforderlichen Schutz-
maßregeln zu treffen. Bei Milzbrand und Rotz ist darauf zu achten, daß
die gesundheitspolizeilichen Maßregeln mit den veterinärpolizeilichen stets
im Einklang stehen.
Um die rechtzeitige Anordnung der Verhütungs- und Bekämpfungs-
maßregeln zu sichern und jede Verzögerung derselben durch saum-
selige oder unentschlossene Polizeibehörden zu verhindern, lest § 8
R.G. der Polizeibehörde die Pflicht auf, unverzüglich die erforderlichen
Schutzmaßregeln zu ergreifen, sobald die Erklärung des beamteten
Arztes über den Ausbruch der Seuche vorliegt. In der Begründung
zu § 8 heißt es: „Etwaige Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen
Feststellung können ihr zwar Veranlassung geben, die Entscheidung
der vorgesetzten Behörde anzurufen; die Ausführung der Maßregeln
darf aber ım Interesse des Schutzes gegen eine wahrscheinliche Ge-
fährdung der Bevölkerung in diesem Falle nicht ausgesetzt werden.“
Das Gesetz umgibt durch diese Bestimmung den beamteten Arzt mit
einer großen Autorität, die er sich durch sorgsame Prüfung der Ver-
hältnisse und durch ein ruhiges und bestimmtes Auftreten zu erhalten
haben wird. Ein Recht, nach Eingang der Erklärung des beamteten
Arztes etwa noch einen anderen Arzt zu hören und von dem Ausfall
seiner Erklärung ihre Entschließungen abhängig zu machen, steht der
Polizeibehörde jedenfalls nicht zur Seite.
Durch § 6 Abs. 1 P.G. wird § 8 R.G. auf die Krankheiten des
preußischen Gesetzes — mit Ausnahme von Diphtherie, Körnerkrank-
heit, Lungen- und Kehlkopftuberkulose und Scharlach — ausgedehnt.
Durch Ziffer 8 Abs. 1 der allgemeinen Ausführungsbestimmungen zu
§ 6 P.G. wird bei Diphtherie, Körnerkrankheit und Scharlach die
durch das Reichsgesetz nur dem beamteten Arzt beigelegte Autorität
auf den mit der Feststellung beauftragten Arzt übertragen.
In Satz 2 von Ziffer 8 wird weiter angeordnet, daß bei Milz-
brand und Rotz darauf zu achten ist, daß die gesundheitspolizei-
lichen Maßregeln mit den veterinärpolizeilichen stets in Einklang stehen.
In letzterer Beziehung ist zu bemerken, daß bei der Bekämpfung von
Milzbrand und Rotz der Kreisarzt und der Kreistierarzt zweckmäßiger-
weise ihr Vorgehen in der Weise abgrenzen werden, daß der Kreis-
arzt diejenigen Anordnungen vorschlägt, welche sich auf den Kranken,
seine Wohnung und Gebrauchsgegenstände beziehen, während der
Kreistierarzt seine Aufmerksamkeit auf die Tiere und ihre Unter-
kunft lenkt. Die Ausführung der Desinfektion z. B. wird, soweit es
sich um den Kranken und seine Wohnung handelt, nach dem Gut-
achten des Kreisarztes, soweit dagegen Tiere, Stallungen, Dünger- und