Full text: Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche unter besonderer Berücksichtigung Preußens.

Krankheit benachrichtigt worden ist, unverzüglich an Ort und Stelle 
Ermittelungen vorzunehmen und der Polizeibehörde eine Erklärung 
darüber abzugeben hat, ob der Ausbruch der Krankheit festgestellt 
oder der Verdacht des Ausbruches begründet ist. 
Durch 86 Abs. 1 P.G. sind diese Bestimmungen auf die anzeige- 
pflichtigen übertragbaren Krankheiten — jedoch mit Ausnahme von 
Diphtherie, Körnerkrankheit, Lungen- und Kehlkopftuberkulose und 
Scharlach — sowie auf Verdachtsfälle von Kindbettfieber und Typhus 
ausgedehnt. In den allgemeinen Ausführungsbestimmungen zu 8 6 ist 
noch bestimmt, daß der Arzt der Polizeibehörde neben der Erklärung, 
ob der Ausbruch der Krankheit festgestellt, die sonst erforderlichen 
Mitteilungen zu machen hat. 
Zu diesen Bestimmungen ist folgendes zu bemerken. 
In der Begründung zu $S 6 R.G. heißt es: „Erhält der beamtete 
Arzt durch die Polizeibehörde die Nachricht von dem Kranklheits- 
ausbruche, so ist er verpflichtet, die Ermittelungen vorzunehmen.“ 
Er darf sich also einer Requisition einer Ortspolizeibehörde nicht ent- 
ziehen und würde sich durch eine Weigerung, ihr Folge zu leisten, 
strafbar machen. 
Er hat die Ermittelung unverzüglich, d.h. als dringende An- 
gelegenheit vorzunehmen, hinter der die Erledigung anderer dienst- 
licher und privater Geschäfte zurückstehen muß. Wie bereits hervor- 
gehoben, bedeutet im Sinne des Gesetzes „unverzüglich“ „längstens 
in 24 Stunden“. Im Interesse einer erfolgreichen Seuchenbekämpfung 
darf der beamtete Arzt aber niemals so lange zögern. Die Ermitte- 
lung von Krankheitsfällen an seinem Wohnort hat er vielmehr sofort 
nach Empfang der Nachricht, die Ermittelung auswärtiger Fälle aber 
womöglich noch vor Sonnenuntergang vorzunehmen. Fälle von gemein- 
gefährlichen Krankheiten, namentlich von Cholera, Pest, Fleckfieber 
oder Pocken, Milzbrand, Rotz, Rückfallfieber oder Typhus wird er 
ohne jeden Aufschub in Angriff nehmen. 
Wann darf der beamtete Arzt nach dem Gesetz Ermittelungen 
anstellen, ohne eine polizeiliche Mitteilung? Die Begründung zum 
Reichsgesetz sagt hierüber folgendes: „Geht ihm anderweit eine Nach- 
richt zu, nach welcher das Auftreten eines bedrohlichen Krankheits- 
falles weitere Kreise der Bevölkerung als gefährdet erscheinen läßt, 
so soll er der Not der Lage gerecht werden können und ohne polizei- 
liche Benachrichtigung die Feststellung vornehmen dürfen. Bei der 
Entscheidung der Frage, wann ein Notfall vorliegt, kann es auf sehr 
verschiedene Verhältnisse, z. B. Mangel anderer ärztlicher Hilfe, Auf- 
treten der Krankheit in übervölkerten Stadtteilen oder in ungesunden 
Wohnungen, Heftigkeit des Krankheitsfalles, Vermutung, daß der Er- 
krankte sich entfernen will u. s. w. ankommen. Da hier nur das 
pflichtmäßige Ermessen des die Interessen des Gemeinwohls wahr-
	        
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