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nehmenden Arztes entscheidet, so muß das Gesetz sich darauf be-
schränken, diesem Ermessen den nötigen Spielraum zu lassen.“
Bei der Entscheidung der Frage, ob er, ohne eine Benachrich-
tigung der Polizeibehörde abzuwarten, zur Anstellung einer Ermiitte-
lung zu schreiten hat oder nicht, hat also der beamtete Arzt lediglich
nach eigenem, pflichtmäßigem Ermessen und nicht nach
Weisung irgend eines Dritten zu verfahren.
Das Recht, in Notfällen Ermittelungen an Ort und Stelle vor-
nehmen zu dürfen, ohne eine Aufforderung der Polizeibehörde erhalten
zu haben, hat der beamtete Arzt aber nicht nur bei den 6 Krank-
heiten des Reichsgesetzes, sondern auch bei den übrigen übertragbaren
Krankheiten, mit Ausnahme von Diphtherie, Körnerkrankheit, Lungen-
und Kehlkopftuberkulose und Scharlach (in Preußen) bezw. Diphtherie,
Lungen- und Kehlkopftuberkulose und Scharlach (in Braunschweig).
Bei diesen Krankheiten muß also der Kreisarzt auch in Notfällen
untätig zuschauen.
Bei der Ermittelung ist zunächst die Art der Krankheit fest-
zustellen und der Polizeibehörde eine Erklärung darüber abzugeben,
ob der Ausbruch der Krankheit festgestellt, oder der Verdacht des
Ausbruches begründet ist, selbstverständlich nur, insoweit dies ohne
Ausführung einer bakteriologischen Untersuchung möglich ıst. Handelt
es sich z. B. um Aussatz, Cholera, Diphtherie, Genickstarre, Milzbrand,
Pest, Rotz, Rückfalifieber, Ruhr oder 'Typhus, so wird der beamtete
Arzt zunächst nur sagen, daß nach dem Bilde, welches er sich von dem
Falle gemacht hat, der Verdacht der Krankheit mehr oder weniger
wahrscheinlich ist; er wird aber sofort die Entnahme von Unter-
suchungsmaterial und die Übersendung desselben an eine Untersuchungs-
stelle in die Wege leiten, der Polizeibehörde hiervon Mitteilung machen
und sich eine Erklärung über die Natur der Krankheit bis nach Ein-
gang der Antwort der Untersuchungsstelle vorbehalten.
Zu ermitteln und festzustellen ist ferner der Stand der Krank-
heit, d.h. das Stadium, in welches die Krankheit getreten ist, ob sie
sich im Beginn, auf der Höhe oder im Abklingen befindet, ob Kom-
plikationen oder Nachkrankheiten vorhanden oder zu befürchten sind
u.s. w., Dinge, die für die Wahl der anzuorduenden Schutzmafßregeln
von Wichtigkeit sind. Z. B. wird bei Typhus die Frage, ob der Kranke
in ein Krankenhaus übergeführt werden kann, wesentlich davon ab-
hängen, ob nach dem Stande der Krankheit der Eintritt einer Darm-
blutung zu befürchten ist oder nicht.
Zu ermitteln ist endlich der Umfang der Krankheit, d.h. ob es
sich um eine vereinzelte oder um mehrere Erkrankungen handelt, und
in letzterem Falle, ob sie in einer Familie, in einer Behausung, in
einer Straße u. s. w. vorgekommen sind, ob sie miteinander zusammen-
hängen oder auf eine gemeinsame Quelle (Brunnen, Wasserleitung,
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