Full text: Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche unter besonderer Berücksichtigung Preußens.

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Ermittelung dieser Krankheiten durch den Kreisarzt größer sein, als 
wenn die Ermittelung durch praktische Ärzte stattfände. 
Zur Erläuterung hierzu sei angeführt, daß nach den amtlichen 
Wochennachweisungen in Preußen in den 8 Wochen vom 30. Dez. 06 
bis zum 23. Febr. 07 einschließlich an Erkrankungen gemeldet sind an 
Rückfallfieber und Tollwut je 1, Fleisch-, Fisch- und Wurstvergiftung 8, 
Pocken 10, Milzbrand 23, Ruhr 43, Bißverletzungen durch tollwutver- 
dächtige Tiere 44, Genickstarre 274, Kindbettfieber 1099, Körner- 
krankheit 1266, Typhus 1616,'Scharlach 10049 und Diphtherie 11543, 
zusammen 25997. Von diesen kamen auf die amtsärztlich zu er- 
mittelnden Krankheiten zusammen 3119 = 12 Proz., auf die ärztlich 
zu ermittelnden (Diphtherie, Körnerkrankheit und Scharlach) zusammen 
aber 22878 — 88 Proz., also mehr als siebenmal so viel. Wenn dies 
auch dafür spricht, daß die Pflicht, auch diese Krankheiten zu er- 
mitteln, zu einer Überlastung der Kreisärzte führen könnte, so darf 
doch andererseits nicht übersehen werden, einmal, daß die Pflicht 
sich ja nicht auf alle, sondern nur auf die jedesmal ersten Fälle in 
einer Ortschaft erstreckt, also nicht mit allzuviel Arbeit verknüpft 
wäre, und zweitens, daß, wie sich schon jetzt herausgestellt hat, die 
Ermittelung der Fälle durch Privatärzte sich in der Mehrzahl der 
Fälle nicht nur nicht billiger, sondern sogar teurer für die Staatskasse 
stellt, als wenn sie durch beamtete Ärzte angestellt würde. 
Einer Untersuchung bedarf die Frage, ob vollbesoldete Kreisärzte, 
welchen nach dem Kreisarztgesetz dıe Ausübung der ärztlichen Privat- 
praxis mit Ausnahme von dringenden Fällen untersagt ist, dem Er- 
suchen der Ortspolizeibehörde, Fälle von Diphtherie, Körnerkrankheit 
oder Scharlach festzustellen, überhaupt nachkommen dürfen. Diese 
Frage muß bejaht werden, da die Feststellung übertragbarer Krank- 
heiten eine dringende Angelegenheit ist. Es würde auch dem ganzen 
Sinne des Gesetzes widerstreiten, wenn man dem vollbesoldeten Kreis- 
arzt das Recht, bei der Feststellung dieser Krankheiten mitzuwirken, 
beschränken wollte. Denn gerade die Mitwirkung bei der Bekämpfung 
der übertragbaren Krankheiten ist eine Hauptaufgabe der Kreisärzte, 
und zumal der vollbesoldeten. Jedoch braucht der vollbesoldete 
Kreisarzt, welcher den Auftrag, eine dieser drei Krankheiten festzu- 
stellen, ausführt, die hierfür zuständigen Gebühren nicht an die Staats- 
kasse abzuführen, weil es sich dabei nicht um eine Amtshandlung, 
sondern um die Ausübung von Privatpraxis handelt. 
In Braunschweig hat man die Feststellung der ersten Fälle von 
Diphtherie und Scharlach — nicht von Körnerkrankheit — ebenso 
wie in Preußen für entbehrlich gehalten, wenn sie von einem Arzte 
angezeigt sind. Man hat aber, abweichend von Preußen, vorgeschrieben, 
daß in den Fällen, die nicht von einem Arzte angezeigt sind, nicht 
ein Privatarzt, sondern der beamtete Arzt die Ermittelung vorzu-
	        
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