Bollständiger
und unvoll-
standtzer Be-
b.
Redlicher,
unredlicher
und unrecht-
fertiger?
Besit,
318 Erster Theil. Siebenter Titel.
§. 6. Wer eine Sache oder ein Recht zwar als fremdes Eigenthum, aber doch
in der Absicht, darüber für sich selbst zu verfügen, in seine Gewahrsam übernommen hat,
der heißt ein unvollständige Besitzer 7).
& 7. Vollständiger Besitzer heißt der, welcher eine Sache oder ein Recht als sein
eigen besitzt.
8 8. 8. Beruhet dieser Besitz auf einem Rechtsgrunde, durch welchen das Eigen-
thums) erlangt werden kann, so ist ein vollständiger titulirter Besitz vorhanden.
§. 9. Der unvollständige Besitzer der Sache ist vollständiger Besitzer des Rechts,
dessen er darüber sich anmaßt.
§. 10. Die Rechtmäßigkeit oder Unrechnnäßigkeit des Besitzes hängt von der Be-
Hhafenbeit und Gültigkeit des Titels ab, auf welchen das Recht zu besten sich grün-
y
5. 11. Wer es weiß 10), daß er aus keinem gültigen Titel besitze, der heißt ein
unredlicher Besitzer.
im possessorischen Rechtswege nicht in Auspruch genommen werden. Pr. 1428, vom 22. Män 1844
(Eusck. Bd. X. S. 97). Ein Dienstbote kann z. B. wegen Nichterfüllung des Dienstkontrakts gegen
den Dienstherrn nicht possessorisch klagen, selbst wenn der Konmakt im Hypothekenbuche eingetragen
wäre. (Schles. Arch. Bd. V. S. 109.) Ebenso steht einem Privatbeamten, insbesondere einem For-
ster, wenn ihm als pars salarü#die Benutzung eines Grundstücks eingeräumt ist, gegen den Dienst-
herrn, welcher ihm den Genuß entzieht, noch keine Besitzklage zu, weil, wenn das ganze Verhältniß
ein persönliches ist, nicht ein Theil desselben als ein dingliches betrachtet werden kann. Pr. 2098,
vom 9. Jannar 1849. (4. A.) In einem Erk. dess. vomm 26. März 1860 ist jedoch ausgesprochen, daß
für einen Privatforstbeamten, welchem als Dienstemolument eine Anshütung eingeränmt ist, der also
einen gegen die an sich zulässige Einschränkung seitens des Eigenthümers Prichteten Besitz erworben
habe, der Vossessorienprozes zulässig sei. (Ark. f. Rechtsf. Bd. XXXVII. S. 135.) Eine auffallende
Bedingung. Die Erwerbung des Besitzes vor der Störung ist ja das Erforderniß zur Begründung
einer jeden Besivklage. Vergl. unten die Anm. 48 zu §. 80, und Anm. Ss zu §S. 144. — (4. A.) Der
Besitz des Rechts der Fratet von Entrichtung eines Brückengeldes ist der Störung empfänglich und
kann in possessorio geschützt werden. Erk. des Obertr. v. 10. Okt. 1862 (Entsch. Bd. XLVIII, S. 1).
7) Unter dem unvollständigen Besitze dachten sich die Verf. den Röm. Naturalbesitz, aber es sind
darurter begriffen: 1. die Fälle des sog. abgeleiteten Besitzes des R. K.; 2. die persönlichen Ser-
vituten des R. R. und einige andere jura in re, an welchen eine juris quasi possessio stattfand; 3. die
Fälle, im welchen die Ausübung des Rechts mit der Gewahrsam der Sache, auf welche sich das Recht
bezieht, verbunden ist, z. B. Nießbrauch, Pacht, Miethe, Leihe, und in welchen das R. K. gar keinen
Besitz annahm. Der Prekarist und Sequester, welche nach R. R. wirklichen Besitz hatten, sind nach
L. R. bloße Stellvertreter.
8) Damit ist nicht bloß der Sachbesih (eorporis possessio), sondern auch jeder Rechtebesitz in der
landrechtlichen Ansdehnung gemeint, denn es wird ein Eigenthum an Rechten anerkannt. Tit. 8, 8. 1.
9) Zu den jüngeren Ausgaben steht unrechtmäßiger, was ein Druckfehler ist. Simon,
Material., S. 685. Vergl. die Ausg. des Gesetzb. von 1791.
ga) (5. A.) Der §. 10 giebt nur die Bedingungen der Rechtmäßigkeit des Besitzes au, kommt
aber bei Begründung einer Possessorienklage wegen Besitzstörung nicht in Betracht; die Besitzklage er-
sordert nur das Vorhandensein des letzten ruhigen Besitges, nicht aber den Nachweis des Besitztitels.
(Ss. 146, 150, 154 d. T.) Erk. des Obertr. v. 15. Sept. 1863 (Arch. f. Rechtsf. Bd. Ll. S. 128).
Vergl. unten die Anm. 11 a. E.
10) Nicht allein der sich seines unrechtmäßigen Verhältnisses zur Sache klar Bewußte ist ein un-
redlicher Besitzer nach der Theorie des vV. R., sondern noch verschiedene andere Personen. Suarez
unterschied dreierlei mögliche Zustände im Bewußtsein des Besitzers: 1. das Wissen der Unroechemäßg.
keit des Besitzes, d. i. der Fall des wahren umedlichen Besibers (malse fildei possessor) des RN. R.
Diesen meint unser 8. 11. 2. Den "7 des betrügerischen Besitzers und besonders desjenigen, der
durch eine strasbare Handlung den Besitz erlangt hat. (5§. 229 und 242 d. T. — Simon, Ma-
terial., S. 330, Nr. 13.) 3. Den Fall des einfachen unredlichen Beswers, dessen Unredlichkeit eigent-
lich cine bloße Fiktion ist. Dahin gehört der Beklagte, nachdem ihm die Klage insinuirt worden (8.222
d. T.); ferner der, welcher aus einem verschuldeten saktischen Irrthume feinen Besitz für rechmmäßig
hält (§. 13); sowie der, welcher als vorsichtiger Mann schon bei der Erwerbung des Besitzes die Recht-
mäßigleit desselben hätte bezweiseln sollen (§. 15). Hierin schließt sich das L.N. an die Auffassung der
Nomanisten seiner Zeit an; denn auch diese gründen die Filtion einer mala hdes auf den Beginn des
Rechtestreits, zu dem Zwecke, um als Grund für die Verpflichtung des Bekl. zu dienen, die während