Metadata: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

354 BÜLOW BIETET RÜCKTRITT AN 
redung veröffentlicht hat. Die englische Presse bespricht das Interview 
überwiegend in skeptischer, kritischer und ablehnender Weise. Maßgebende 
englische Persönlichkeiten, wie Lord Roberts und Sir Edward Grey, haben es 
abgelehnt, sich über dieses Interview überhaupt zu äußern. Die französi- 
schen und russischen Blätter benutzen die Gelegenheit zu heftigen Aus- 
fällen gegen Eure Majestät und die deutsche Politik. Vor allem ist die 
deutsche Presse mit verschwindenden Ausnahmen der Ansicht, daß durch 
das Interview unsere Politik und unser Land schwer geschädigt worden 
sind. Die Angriffe der deutschen Zeitungen sind ungerecht. Denn Eure 
Majestät haben die Gnade gehabt, mir durch den Gesandten Freiherrn von 
Jenisch die Aufzeichnungen des englischen Autors zur Prüfung zu über- 
senden. Ich war damals in Norderney mit ernsten Fragen (Orientkrisis, 
Reichsfinanzreform, andere innere Angelegenheiten) überhäuft und habe 
deshalb das auf schlechtem Papier sehr unleserlich geschriebene lange 
Elaborat des Obersten Wortley nicht selbst gelesen, sondern zur Prüfung 
an das Auswärtige Amt geschickt. Ich gab hierbei die strikte Weisung, 
den Artikel auf seine Wirkung auf das sorgfältigste zu prüfen und mir zu 
melden, wo Änderungen, Zusätze, Weglassungen notwendig erschienen. 
Das Auswärtige Amt reichte mir das englische Manuskript mit einem Be- 
richt zurück, in dem es einige kleine Änderungen vorschlug, sonst gegen die 
Veröffentlichung keinerlei Bedenken geltend machte. Im Sinne dieses 
Berichts schrieb der bei mir weilende vortragende Rat an den Gesandten 
von Jenisch. Wenn ich von dem Manuskript selbst Kenntnis genommen 
hätte, so würde ich Eure Majestät gebeten haben, die Erlaubnis zu der 
Veröffentlichung, zumal im gegenwärtigen Augenblick, nicht zu geben. 
Wenn Eure Majestät mein Verhalten darin mißbilligen, daß ich im Drange 
der Geschäfte das englische Manuskript nicht selbst geprüft habe, und den 
vom Auswärtigen Amt bewiesenen Mangel an Umsicht mir zum Vorwurf 
machen, so bitte ich alleruntertänigst, mich aus meiner Stellung entlassen zu 
wollen. Wenn ich aber das Vertrauen Eurer Majestät nicht verloren habe, 
kann ich nur bleiben, sofern ich in die Lage versetzt werde, den ungerecht- 
fertigten Angriffen gegen meinen Kaiserlichen Herrn offen und nachdrück- 
lich entgegenzutreten. Eure Kaiserliche und Königliche Majestät muß ich 
deshalb um die Erlaubnis bitten, in der ‚Norddeutschen Allgemeinen Zei- 
tung‘ amtlich sagen zu dürfen, daß die gegen Eure Majestät in einem großen 
Teil der Presse erhobenen Angriffe vollkommen ungerecht sind, daß Eure 
Majestät mir das Manuskript des englischen Autors zugesandt haben, daß 
ich dasselbe dem Auswärtigen Amt hätte zugehen lassen und daß dieses nur 
geringe Änderungen vorgeschlagen hätte.“ 
Ad marginem dieses Immediatberichtes bemerkte der Kaiser, daß ich 
sein Vertrauen nicht verloren hätte und daß er mit der von mir in Aussicht
	        
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