lein und von Maria, seiner Verlobten, herzlichen Abschied und gab
letzterer das Versprechen, nach seiner Rückkehr sie als Gattin heimzu-
führen. Aber Jahr um Jahr verging, ohne daß seine Angehörigen
eine Nachricht von ihm erhielten. Endlich ward der langwierige Krieg
beendigt, und die siegesfreudigen Truppen kehrten in die Heimat zurück,
wo ihnen allenthalben jung und alt einen festlichen Empfang bereitete.
Auch Marie, die unter Hoffen und Harren sechs kummervolle Jahre
verlebt hatte, eilte auf die Landstraße hinaus, um ihren Bräutigam
zu empfangen, allein er kam nicht. Dies gab ihrer Mutter, welche
die Hand ihrer Tochter schon längst dem reichen Nachbar Paul zuge-
sagt hatte, eine willkommene Veranlassung, in sie zu dringen, Georg,
der entweder im Kampfe gefallen sei oder sich unter liederlichem Ge-
sindel herumtreibe, zu vergessen und in die glänzende Partie einzu-
willigen. Jedoch Marie blieb standhaft und hielt fest an Georg. —
Als aber Mutter und Verwandte sie mit wiederholten Bitten und mit
ungestümen Drohungen bestürmten, gab sie dem Verlangen nach und
erbat sich ein Jahr Aufschub; denn sie hoffte mit aller Zuversicht, daß
innerhalb dieser Frist ihr Verlobter heimkehren werde. Doch auch das
siebente Jahr verstrich ohne Georgs Rückkehr, und Marie wurde Pauls
Gattin.
An einem trüben Septembertage schritt ein junger, kräftiger
Wandersmann auf der Landstraße daher. Es war Georg, der voll
Sehnsucht seiner Heimat zueilte. Derselbe war nach abgeschlossenem
Frieden in der Fremde geblieben, um durch rastlose Arbeit und Spar-
samkeit sich einiges Vermögen zu erwerben. Nachdem ihm sein Plan
geglückt war, wollte er nun seiner alten Mutter, die ihm unter Mühen
und Sorgen so viel Gutes erwiesen, das Alter versüßen und mit Marie
einen eigenen Hausstand gründen. Mit wonnigen Gefühlen erreichte
er beim Dunkelwerden sein heißersehntes Ziel, die ärmliche Hütte
seiner Mutter, und schaute durch die Fensterscheiben ins traute, stille
Stübchen, wo sein greises, gebücktes Mütterchen beim Spinnrocken
saß und spann. Er klopfte leise an die Hausthür, und beim Offnen
derselben fiel ihm seine Mutter mit thränenden Blicken um den Hals
und drückte ihn an ihr Herz. Nach der Freude der ersten Umarmung
erkundigte sich Georg nach seiner Braut. Da erzählte ihm die Mutter,
wie Marie sieben Jahre vergebens auf ihn gewartet habe, und wie
sie, ihn für tot haltend, Pauls Gattin geworden sei. Wie vom
Schlage getroffen stand Georg da, dann faßte er Mut und sprach mit
festem männlichen Ton: „Also für tot hielt mich Marie; wohlan denn,
ich will es sein für sie und die Welt! Morgen in der Frühe verlasse
* diesen Ort für immer, um mich in die Einsamkeit zurückzuziehen.“
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