Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

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Ulrich Mengemeyer, ein reicher Bürger zu Augsburg, hatte sich 
mit Andreas Tuchern, einem böswilligen Ratsherrn, verfeindet, und 
ward durch dessen heimtückische Nachstellung bewogen, seine Vaterstadt 
zu verlassen. Er wandte sich nach Annaberg, wo er schon seit längerer 
Zeit viele Kuxe an sehr gesegneten Fundgruben hatte, und ward Bür— 
ger daselbst, in der Meinung, vor Tuchers Verfolgungen nunmehr sicher 
zu sein. Aber er irrte. Am Freitag vor Pfingsten 1514 ward er auf 
dem Wege zu seinem Freunde, dem Guardian des Franziskanerklosters, 
von zwei Meuchelmördern überfallen und erstochen. Die Mörder flohen 
zum Frohnauer Thore hinaus nach dem Schreckenberge hin. Der eine 
aber, Wilwald Dyrmann, den sein wüstes Aussehen und das Blut an 
den Händen verriet, wurde im Thale von einem Bergmann festgehalten 
und nach der Stadt zurückgebracht; der andere, Hansel Unger, ward 
auch bald nachher in Pirna eingefangen und in Ketten nach Annaberg 
geführt. Im Verhöre sagte Dyrmann aus, Andreas Tucher habe ihn 
durch seinen Vetter, Philipp Weisenburgern, einen armen Edelmann 
im Dienste der Stadt Augsburg, zu diesem Meuchelmorde für 400 fl. 
dingen lassen. Deshalb ward sogleich an den Augsburger Rat geschickt 
und Weisenburgers und Tuchers Auslieferung gefordert. Aber Weisen- 
burger nahm die Sache allein auf sich und schrieb an den Rat zu 
Annaberg, er habe gute Sache an Mengemeyern gehabt und allein, 
ohne Tuchers Geheiß, Dyrmann zu dieser That bewogen; darum 
möchten sie dem das Leben schenken. Zugleich war Weisenburger aus 
Augsburg entwichen. Tucher schickte einen Sachwalter nach Anna- 
berg, der ihn vollends rechtfertigte. Dyrmann und Unger aber wurden 
am Freitag nach St. Anna 1511 durch das Rad hingerichtet. So war 
die Sache mit dem Rate zu Annaberg beigelegt. Herzog Georg von 
Sachsen aber ließ es nicht dabei bewenden, sondern verklagte die Reichs- 
stadt Augsburg beim Kaiser, und obgleich der Augsburger Rat sich 
vielfach entschuldigte, so ward doch auf dem Reichstage dahin entschie- 
den, daß die Stadt Augsburg wegen verletzten Gottesfriedens der Haupt- 
kirche zu Annaberg einen marmornen Altar verehren solle. Und dies 
geschah auch. 1 
So erzählt die Sage. Geschichtlich glaubwürdige Nachrichten aber 
sagen, dieser Altar sei von den Annabergern, welche sich damals des 
reichsten Bergsegens erfreuten, mit 2551 fl. bezahlt worden, und Herzog 
Georg der Bärtige habe selbst 1000 fl. von seinem Grubenanteil ab- 
gegeben. 
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