2 2. Wohnsitze, Namen und Sprache, Herkunft des Bayernvolkes.
Der bayerische Stamm, wiewohl unter zwei Staaten zersplittert, bildet
noch heute eine durch Sprache und Art seiner Angehörigen unverkennbare
Einheit. Ihm gehören vollständig an vom Königreiche Bayern die Provinzen
Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz und Regensburg und von der öster-
reichisch-ungarischen Monarchie die Erzherzogtümer Osterreich ob und unter der
Enns und das Herzogtum Salzburg. Was von nichtbayerischem Volke in
diesen Provinzen saß, ist sehr gering und frühzeitig bajuwarisiert worden.
Weit mehr von nichtbayerischen Elementen, insbesondere Slaven, haben die
Bayern im Lande unter der Enns in sich aufgesogen. Von der bayerischen
Provinz Schwaben und Neuburg sind die Bewohner des letzteren Gebietes
Bayern. In Oberfranken ist die Bevölkerung um das Fichtelgebirge, in Mittel-
franken, dessen Name den ethnologischen Verhältnissen nicht entspricht, die der
südlichen und östlichen Teile, ungefähr ein Drittel bis zur Hälfte des Ganzen
von bayerischer Abkunft, reiner im Eichstättischen, mehr mit Franken gemischt
im Nürnbergischen; immerhin ist der Nürnberger Dialekt bayerisch, nur frän-
kisch angehaucht, nicht etwa umgekehrt. Nur auf Verkennung dieser Tatsachen
beruht die zuweilen ausgesprochene Behauptung, daß im Königreiche Bayern
mehr Franken als Bayern sitzen. Von Steiermark, Kärnten und Tirol ge-
hört dem bayerischen Stamme die gesamte deutsche Bevölkerung an. Aber in ganz
Deutschtirol — mit Ausnahme wahrscheinlich des nördlichsten Unterinntales
und seiner Seitentäler — haben die Bayern nicht nur wie anderwärts ver-
einzelte Nichtgermanen sondern eine starke räto-romanische Bevölkerung baiuwa-
risiert. Endlich gehören dem bayerischen Dialekte und größtenteils wohl auch
dem Ursprunge nach dem bayerischen Stamme an die Deutschen in Ungarn
und die im Egerlande, an den böhmischen Abhängen des Böhmerwaldes und
an der Thaya. Die Seelenzahl des bayerischen Stammes wird man heute in
runder Schätzung etwa auf 9—10 Millionen anschlagen dürfen, von denen
über 2½ Millionen im Königreiche Bayern, alle lübrigen in der österreichisch-
ungarischen Monarchie leben.
Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz und Regensburg, Neuburg, die
bayerischen Teile von Mittelfranken, Osterreich ob der Enns, Salzburg und
Deutschtirol bilden die alten Stammlande, in denen sich die Bayern im Laufe
des 6. Jahrhunderts festgesetzt haben. Von dort aus breiteten sie sich allmäh-
lich weiter nach Osten aus. In das 8. Jahrhundert fällt in der Hauptsache
die Besiedlung von Kärnten und Steiermark, in das 9. und 10. die der
Ostmark, in das 11. und 12. vornehmlich, wie es scheint, die Einwanderungen
in Urgarn und Böhmen. Mit der Kolonisierung des Egerlandes, die
wahrscheinlich am Schlusse des 11. und in den ersten Jahrzehnten des
12. Jahrhunderts erfolgte, hat die räumliche Ausbreitung des Stammes
ihren Höhepunkt und Stillstand erreichtt, und kaum ist dies geschehen, so
nimmt seine schon vorher beginnende politische Zersplitterung größere Aus-
dehnung an.