6 3. Die vorgeschichtliche Zeit des Landes.
Unser engeres Heimatland Bayern war zum Teil im Bereich der voll-
ständigen Vereisung zum Teil außerhalb dieser. Von den Alpen im Süden
gingen die Gletscher bis an die Donau hinaus. Jenseits dieser aber blieb
das Land vom Eise frei. Es haben sich denn auch in den Höhlen an der
Donau und im schwäbischen Ries wie in dem Fränkischen Juragebiet Reste des
Diluvialmenschen gefunden, am unzweifelhaftesten in den ungestörten Schichten
in der Ofnethöhle und im Hohlenfels im Ries, während sich südlich der Donau
bis jetzt dessen Spuren aus dem Diluvium nicht nachweisen ließen.
Die Reste des Menschen aus diesen frühen Zeiten sind sehr spärlich und
unscheinbar. Grauenhaft und schrecklich, von unserem Kulturstandpunkt zurück-
gesehen, muß sich das Leben in Mitte einer noch unwirtlichen Natur, in der
Umgebung der gewaltigen und unheimlichen Tierreihen des Diluviums ab.
gewickelt haben. In den Fundschichten dieser Periode zeigen sich weder Kohle
und Asche noch Scherben von Tongefäßen; der Mensch kannte noch nicht das
Feuer, noch' nicht die roheste Töpferei. Unter den Knochen der Tiere in den
Höhlenschichten finden sich nur solche wilder Tiere; der Mensch hatte noch kein
Haustier gezähmt. Er genoß das Fleisch der erlegten Tiere roh, trank deren
Blut und sog das Mark aus den aufgeschlagenen Knochen, die zahlreich mit
den Spuren der Offnung in den Fundschichten vorkommen. Als Waffe und
Geräte dienten ihm nur der Baumast und der Stein, den er durch Behauen in
verschiedene Formen brachte, so daß er ihn als Beil, Meißel, Messer und
Schaber verwenden konnte. Er wählte das härteste Gestein, das er finden
konnte, den Feuerstein, zur Bearbeitung. Auch die Kiefer der großen Tiere
benutzte er als Hiebwaffe, wie er die Schädel kleinerer als Trinkgeschirr
gebrauchte. So armselig war der Hausrat des Menschen, der meist in natür-
lichen Höhlen Unterkunft suchte und fand, um deren Besitz er oft genug mit
den Tieren kämpfen mußte. Und doch finden sich schon aus dieser frühen
Zeit, da der Mensch noch als völlig „Wilder“ in die Erscheinung tritt, zwar
nicht bei uns, aber in Frankreich und in Italien, in den Wohnhöhlen Spuren
einer überraschenden naturalistischen Kunstübung in eingeritzten und mit Farben
umrissenen Darstellungen von Tieren, wie sich auch in Schweizer Höhlen
plastische, aus Bein und Knochen geformte Tiergebilde von erstaunlicher
Natürlichkeit gefunden haben. In unseren Höhlen fanden sich wenigstens
Rötelbrocken, von denen man annimmt, daß sie der Höhlenmensch zur Be-
malung des Körpers verwendete, sowie durchbohrte Tierzähne zum An-
hängen, womit also auch das Bedürfnis des Körperschmucks schon zum Aus-
druck kam.
Von der Verwendung des Gesteins zum Gebrauche als Waffe und
Werkzeug, deren Formen aber nur durch rohes Behauen der natürlichen
Knollen hervorgebracht sind, nennt man diese erste nachweisbare Periode des
Menschen die „ältere Steinzeit“ im Gegensatz zu einer nun folgenden vor-
geschrittenen Kulturperiode, der sogenannten „jüngeren Steinzeit"“.