3. Die vorgeschichtliche Zeit des Landes. 7
Keine bisher erkennbar überbrückte Kluft führt von dem „Wilden“ der
älteren Steinzeit zu dem mit einem Schlage schon von einer gewissermaßen
hohen Kultur umgebenen Menschen der jüngeren Steinzeit. Wie nach dem
Zurückweichen der Eismassen und dem Verlaufen der Wasserfluten auf den
Moränen und den Schlammniederschlägen sich allmählich ein freundliches
Landschaftsbild mit grünen Matten, blauen Seen und lichten Flußarmen ent-
wickelte; wie die Tierwelt nach dem Untergang und der Auswanderung der
ungeheuerlichen Typen der Diluvialzeit eine unserer jetzigen sich annähernde
Gestaltung annahm, so hatte sicher auch das Außere des Alluvialmenschen
nicht mehr Form und Gestalt des Wilden der älteren Steinzeit. Nach den
körperlichen Überresten, die sich aus der jüngeren Steinperiode des Menschen
erhalten haben, glich dieser in Bau und Erscheinung schon vollkommen dem
späteren Menschen und war der direkte Ahnherr des jetzt lebenden Geschlechts;
von ihm reicht bis in unsere Tage der Faden der Kulturentwicklung ohne
Unterbrechung herab. Die Dauer der Alluvialperiode, in der wir gegenwärtig
leben, und damit der Beginn der menschlichen Kultur der jüngeren Steinzeit
wird von den Geologen auf 7000—10000 Jahre geschätzt.
Auch jetzt war der Mensch noch ohne jede Kenntnis der Metalle und
ihrer Verwendbarkeit. Er schuf sich alle Waffen und Geräte, soweit nicht Holz
oder Knochen hierzu Verwendung fanden, aus Stein. Aber nicht mehr durch
bloßes rohes Behauen wußte er diesen zu formen; er hatte jetzt gelernt den
Stein zu schleifen und zu glätten und gab seinen Bedarfsgeräten allmählich
nicht nur äußerst praktische sondern auch gefällige Formen. Es heißt daher
diese Periode die „jüngere Steinzeit“ oder die Periode des geschliffenen Steines.
Was aber diese im Vergleich zu der älteren charakterisiert, ist nicht bloß eine
größere Fertigkeit in der Behandlung und Ausnutzung der Gesteinsarten, son-
dern eine auf ganz anderer Grundlage beruhende Lebensführung überhaupt.
Wir kennen eine Menge Niederlassungen aus dieser Periode mit dem gesamten
Hausinventar der Menschen in den Pfahlbauten der Voralpenseen
wie in zahlreichen Landansiedelungen; speziell bei uns in Bayern sind solche in
dem Pfahlbau an der Insel des Würmsees, der sogenannten Roseninsel, in
den Landansiedelungen auf dem Auhögl bei Hammerau (Bezirksamt Laufen),
in den Ebenen bei Inzkofen (Bezirksamt Freising), bei Regensburg und Strau-
bing, in den Höhlen des Fränkischen Jura und der Fränkischen Schweiz wie
in den zahlreichen Wohngrubenresten des Spessarts bekannt.
Aus diesen reichlichen Uberresten entrollt sich ein vollständiges Bild
der Kulturstufe jener Periode. Der Mensch lebte nicht mehr bloß in Familien
wie der der älteren Steinzeit, sondern hatte sich in dorfartigen Siedelungen
zu Sippenverbänden zusammengetan; er hatte fast alle Haustiere, die wir
jetzt noch verwenden; er trieb Ackerbau und baute verschiedene Getreidearten;
er verstand zu weben, flechten und spinnen; die Töpferei war allgemein
Hausbetrieb wie die Verfertigung der Stein= und Knochengeräte, Fischfang