73. Ein Königsidyll vom Tegernsee. 399
Sechs blühende Töchter erwuchsen in seinem Hause; aber wenn er von
den erlauchten Prinzessinnen sprach, nannte er sie niemals anders als „meine
Mädeln“, und wenn er mit ihnen spazieren ging, wies er mit Stolz darauf:
„Das ist mein Postzug!“ Und nachdem sich die ersten zwei vermählt hatten,
fügte er lachend hinzu: „Jetzt kann ich nur mehr vierspännig fahren!“
Die Einrichtung des Schlosses zeigte eine wahrhaft rührende Einfachheit:
Jede der Töchter hatte nur ein einziges Zimmer; die Möbel waren mit buntem
Pers überzogen und ein schmalfüßiges Spinett stand in der Ecke. Wenn man
des Morgens vorüberging, hörte man eifrig durchs offene Fenster die Skala
spielen oder es ward eine Lehrstunde erteilt; nachmittags sah man die jungen
Prinzessinnen rudern, und wenn ein Spaziergang nach Egern führte, ward nicht
selten die öffentliche Fähre benutzt. Mit beiden Händen vor dem Munde riefen
sie dann jodelnd hinüber: „Überfahren, überfahren!“ Ja, als Elisabeth, die
spätere Königin von Preußen, nach Jahren wieder in ihr heimatliches Tegernsee
kam, erbat sie sich von ihrem hohen Gemahl die Gunst, daß sie wieder wie
damals selber nach dem Schiffe rufen dürfe. Friedrich Wilhelm IV aber fand
an diesem zwanglosen Gebaren so viel Reiz, daß er es gern teilte. „Willst
du deinem Vater einen Gruß von mir bestellen?“ sprach er eines Tages zu
meiner kleinen Schwester, die unter der Gartentüre stand, und als das Kind
ernsthaft erwiderte: „Ich kann ja keinen Gruß bestellen, ich weiß ja nicht,
wer du bist“, fügte er lachend hinzu: „Sag nur vom Herrn Friedrich
Wilhelm.“
Bei König Max I. verging wohl kein Tag, ohne daß er irgend ein
Bauernhaus betrat oder mit dem nächsten besten Holzknechte ein Gespräch an-
band; die Leute ließen sich dabei vollkommen gehen und redeten, wie's ihnen
eben in den Sinn kam. Der eine klagte, wie schwer es sei ein großes Bauern-
gut richtig zu regieren. „Was soll denn ich erst sagen,"“ erwiderte der König,
„ich muß das ganze Land regieren!“ „Wissen S' was,“ sprach der Bauer,
„da tat i's halt an Ihrer Stell’ amal a Zeit verpachten.“ Meister Hansstängl,
der vor kurzem starb und in der Nähe von Dietramszell geboren war, traf
als halbgewachsener Junge eines Tages den König ohne zu wissen, wer vor
ihm stand.
„Wo bist du denn her?“ fragte der König.
„Aus dem Tegernseer Landgericht“, erwiderte der Junge.
„Was, aus dem Tegernseer Landgericht?" rief jener mit ungeheuchelter
Freude, „dann sind wir ja Landsleut', da bin ich ja auch daheim."“
Ungescheut nannten die Sennerinnen, die in der Nähe der Kaltenbrunner
Alm ihre Weiden hatten, den König „Herr Nachbar"“. Und wenn er auf
einem seiner Gänge den blauen Rauch aus einem Hause steigen sah, dann
blieb er bisweilen stehen und rief durchs offene Küchenfenster: „Was gibt's
denn heut?“ „Knödel gibt's“, erscholl es von innen. „Ah, das ist recht,“