Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

406 74. Des Kurfürsten und Königs Max I. Joseph innere und äußere Politik. 
Die Teuerung der Lebensmittel war aufs hbchste gestiegen, aber der 
Sieg ließ alle Sorge vergessen; eine unzählige Zuschauermenge fand sich täg- 
lich bei den militärischen Schauspielen ein, die abwechselnd von den bayerischen 
Und französischen Truppen veranstaltet wurden. Man gefiel sich in der Idee 
der Verwandtschaft der angeblich boüschen Vorfahren mit den Galliern, — 
der Sieg berauschte, vor dem Sieger beugten sich alle. Man muß sich um 
diese Volksstimmung gerecht zu beurteilen vergegenwärtigen, welch bannenden 
Eindruck auch anderwärts Napoleons Erscheinung hervorrief. Johannes 
Müller, seiner idealen Richtung und patriotischen Wärme wegen insbesondere 
von der Jugend gefeiert und geliebt, schrieb noch im Jahre 1806: „Ich mache 
nur zwei Abteilungen politischer Menschen: solche, die Napoleon hassen, und 
solche, die ihn lieben, und mit jenen ersten, wer sie auch seien, bin ich!“ 
Wenige Monate später aber, nachdem er inzwischen Napoleon persönlich kennen 
gelernt hatte, schrieb er: „Die an das morsch gewordene Alte nutzlos ver- 
schwendeten Kräfte müssen auf das Neue übertragen werden, Gott ist es ja, 
der die Regierung einsetzt: man muß sich umdenken.“ Und ebenso emphatisch 
ruft Hegel aus, nachdem er Napoleon, die „Weltseele“, gesehen hatte: „Es 
ist eine ganz wunderbare Empfindung ein solches Individuum zu sehen, das 
hier, auf einen Punkt konzentriert, über die Welt greift und sie be- 
herrscht.“ — 
Das deutsche Verhängnis erfüllte sich. Das Band, das die deutschen 
Staaten bisher noch lose zusammenhielt, war schon zerrissen; vollends besiegelt 
wurde die Auflösung des Deutschen Reiches durch eine neue Vereinigung der 
süd= und mitteldeutschen Staaten zum sogenannten Rheinbund unter dem 
Protektorat Napoleons. Preußen erkannte zu spät, daß es durch die seit dem 
Baseler Frieden verfolgte Politik nur den Vorteil Frankreichs gefördert habe; 
als es sich zum Waffengang mit Napoleon aufraffte, stand es allein. Bayerische 
Regimenter stürmten die schlesischen Festungen und bei Pultusk flocht sich 
Kronprinz Ludwig ein Lorbeerreis um das jugendliche Haupt, aber sein Herz 
blutete ob dieser Bruderkämpfe; wieder wie in den unseligen Religionskriegen 
wurden Deutsche gegen Deutsche ins Feld gestellt, die Großmächte lagen zu 
Boden geschlagen und die rheinbündischen Staaten waren zwar dem Namen 
nach souverän, in Wahrheit jedoch Frankreichs Vasallen. 
Während aber in anderen deutschen Staaten die gebotene Unterwürfig- 
keit unter Napoleons Willen auch träge Gleichgültigkeit in Fragen der inneren 
Politik im Gefolge hatte, herrschte bei der Regierung Bayerns das regste 
Streben das alte Stammland mit den neugewonnenen Gebieten zu einem wohl- 
gegliederten, zukunftsfähigen Staatskörper zu verschmelzen und den Eintritt 
Bayerns in die Reihe der stimmberechtigten Mächte Europas vorzubereiten. 
Auf Umwandlung der Mosaik von verschiedenartigen Reichsterritorien in ein 
einheitliches Ganzes zielten alle Unternehmungen und Maßregeln des Ministeriums 
Montgelas ab.
	        
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