Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

76. König Ludwigs I. Jugendzeit und Lehrjahre. 417 
tage blieb Ludwig der Gewohnheit treu schon vor 5 Uhr morgens an die 
Arbeit zu gehen. Neben den Privatvorlesungen seiner Lehrer hörte er zu 
Landshut deutsches und bayerisches Staatsrecht, Staatsökonomie und natur- 
historische Fächer bei den Professoren Gönner, Milbiller, Schrank und Feßmaier. 
Bedeutenderen Einfluß auf seine geistige Entwickelung und Charakterbildung 
gewann der Professor für Moralphilosophie Sailer, in dessen Hause sich die 
Tüchtigsten der akademischen Jugend zu versammeln pflegten. 
Im Herbst 1803 siedelte Ludwig an die Hochschule zu Göttingen über, 
die als Mittelpunkt in Deutschland für wissenschaftliche Behandlung des Staats- 
rechts und der Geschichte galt, für welche Disziplinen der Prinz besonderes 
Interesse zeigte. Er besuchte die Vorlesungen Schlözers mit pünktlichster Ge- 
wissenhaftigkeit. Auch der berühmte Naturforscher Blumenbach wurde sein Lehrer 
wie 36 Jahre später der Lehrer des Kronprinzen. Max. Nach Verlauf von 
50 Jahren, im Jahrc 1853, sandte die philosophische Fakultät der Georgia 
Augusta dem ehemaligen Zögling als „Ausdruck wahrer Ehrerbietung, Dank- 
barkeit und Pietät gegen einen deutschen Fürsten vonseiten einer deutschen 
Hochschule“ das Ehrendiplom eines Doktors der Philosophie, „da kein Fürst 
jemals die Würde des königlichen Namens durch liebevollere Fürsorge für 
Kunst und Wissenschaft verherrlichte“. 
Mit den Studiengenossen stand der bayerische Kurprinz in leutseligstem 
Verkehr. Er pflegte sich nicht selten als Gast bei festlichen Gelagen der 
Studenten einzufinden und war fröhlich unter Fröhlichen ohne dabei je seine 
Stellung zu vergessen. Eine Episode aus der Zeit des Aufenthalts zu Landshut 
ist charakteristisch. Als bei einem Kommerse das Lied: Ich bin der Fürst von 
Toren!" gesungen werden sollte, richtete ein Bursche an den Prinzen die dreiste 
Bitte, er möge die Rolle des Vorsängers übernehmen. Mit schlagfertigem 
Witz lehnte der Prinz ab: „Fürst bin ich schon und ein Fürst von Toren 
möchte ich nie genannt werden!“ — Die Ferientage benutzte er zu Ausflügen 
nach den norddeutschen Hauptstädten, wo er besonders die Denkmale der Kunst 
und des Altertums studierte. 
Mehr als die schuldige Aufmerksamkeit eines Schülers, begeisterte Ver- 
ehrung brachte er dem Geschichtschreiber Johannes Müller entgegen, dessen 
Werke seine Lieblingslektüre noch im späten Alter blieben, wie sie ihrer Gefühls- 
wärme und ihres deutschen Patriotismus halber das Ideal seiner Jugend waren. 
Erst im Jahre 1806 trat er dem verehrten Meister persönlich näher. Die 
Briefe, die in der Folge zwischen dem jungen Königssohn und seinem Ratgeber 
gewechselt wurden, sind für beide ein ehrendes Zeugnis. 
Auch nach Beendigung der Universitätsstudien hielt Ludwig seine Lehr- 
jahre nicht für vollendet. Der treffliche Jakobi wurde beauftragt ihm über 
griechische Geschichte und Literatur Vorträge zu halten und lateinische Klassiker 
mit ihm zu lesen, ein Auftrag, der dem Lehrer, wie er in seiner Selbstbiographie 
sagt, „Gelegenheit gab ihm nah genug zu treten um das edle Blut des 
Kronseder, Lesebuch, zur Geschichte Bayerns. 27
	        
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